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"Vor vielen Jahren lebte in Zuchnow ein Mann namens Mendel Singer. Er war fromm, gottesfürchtig und gewöhnlich, ein ganz alltäglicher Jude." - So beginnt Jospeh Roths Roman "Hiob", der die Geschichte eben jenes Mendel Singer und seiner Familie erzählt. Der Leser nimmt teil am bescheidenen Leben der jüdischen Familie im alten Russland und am Unglück Mendel Singers, das beginnt, als das vierte Kind, Menuchim, behindert geboren wird. Während Mendel Singer dies als Strafe Gottes sieht und sich fügt, betet seine Frau Deborah und fährt schließlich, als alle Gebete keine Heilung bringen, zu einem Rabbi. Menuchim, so die Prophezeiung des Rabbis, wird gesund werden und außerdem weise, gütig, milde und stark.
Menuchim bleibt behindert und kann mit zehn Jahren noch immer nicht laufen und nur ein Wort sagen. Jetzt folgt ein Unglück dem nächsten: Mendels Sohn Jonas muss zur Armee und was noch schlimmer ist, er will. Der zweite Sohn Schemarjah desertiert nach Amerika und Mendels einzige Tochter lässt sich mit einem Kosaken ein. Um weiteres Unglück von seiner Familie abzuwenden, folgt Mendel mit seiner Familie Schemarjah nach Amerika, den behinderten Menuchim aber müssen sie in Russland zurücklassen. Doch auch in Amerika ist Mendel Singer vor der Strafe Gottes nicht sicher. Beide Söhne fallen im Ersten Weltkrieg, kurz darauf stirbt Mendels Frau. Seine Tochter verfällt dem Wahnsinn und lebt in einer Anstalt. In seinem Leid wird Mendel Singer zornig und erhebt sich gegen Gott. Doch dann geschieht das Wunder ...
Roth schafft es auf wunderbare Weise die "alte" Hiobsgeschichte "neu" zu erzählen. Vor allem mit seiner Sprache, die gekonnt in ihren Bann zieht und die nach Stefan Zweig "an Musikalität ... kaum zu übertreffen" ist.
Die Geschichte ist nie langweilig und sehr handlungsorientiert. Auf gerade mal 188 Seiten schafft es Roth, die Verwandlung eines gottesfürchtigen Menschen in einen gotteslästernden glaubwürdig darzustellen und dabei das Leben des Mendel Singer zu schildern. Mendel Singer ist in seiner Einfachheit und Naivität seltsam anrührend. Und obwohl die Geschichte durch die vielen Schicksalsschläge sehr emotional ist, ist sie nie pathetisch oder kitschig. Einzig das Ende wirkt allzu zuckersüß, ist aber verständlich, wenn man an die biblische Geschichte denkt.
"Hiob" ist eine wunderbare Einheit aus Sprache und Inhalt. Der Roman wirkt auf seine ganz eigene anmutende Art. Am besten ist es, diese als Leser selbst zu erfahren.