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Es ist ein früher Morgen im Mai, als Domenico Rapaport seinen Rundgang über den Soldatenfriedhof von Triest macht. Er bemerkt nichts ungewöhnliches, bis er an das Grab des SS-Majors Christian Wirth gelangt. Hier entdeckt er vierzehn Leichen unbekannter Personen, die sich nachts auf dem Friedhof das Leben genommen haben. Alle liegen in selbst ausgehobenen Gräbern und haben sich freiwillig das Leben genommen, dem Anschein nach. Doch das Sonderbarste ist, dass die Leiche von Christian Wirth verschwunden ist, genau achtzehn Jahre nach seinem Tod.
Die Stadt Triest ist entsetzt und die Polizei steht vor einem Rätsel. Denn dieser seltsame Gruppentod ist nicht das einzig mysteriöse: Einen Tag vorher wurde das erste Kapitel des Romans eines neuen Autors in der Zeitung vorabgedruckt. Der Name des unbekannten Verfassers ist lediglich wenigen Personen bekannt und er hat genau die grausigen Funde auf dem Friedhof beschrieben, Tage bevor sie wirklich geschehen sind. Aufgrund eigener Nachforschungen hatte der seltsam hellseherische Autor das Schicksal seiner verschollenen Mutter ergründet. Sie fand ihr Ende im polnischen Vernichtungslager San Sabba. Aus den lange zusammengesuchten Informationen entstand der Inhalt des Buches.
Was wie ein normaler verzwickter Thriller oder Krimi klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als schwere und eindeutig wirklichkeitsnahe Lektüre. Der Text entzieht sich dem Leser und zwingt ihn dazu, sich mühsam durch das Buch zu kämpfen. Der wirkliche Autor, Thomas Harlan, verarbeitet hier seine eigene Besessenheit über die Verbrechen des Naziregimes. Eigenwillig und hektisch ungeordnet überschüttet er den Leser mit teils erfundenen und vielfach wahren Informationen. Die Randgeschichte alleine ist lediglich der Kitt, der die Seiten hält, ein klägliches Gerüst, an das sich der Leser krallen muss, um den Überblick zu bewahren.
Wirklicher Mittelpunkt des Romans ist nicht die Geschichte über die Entstehung des Romans des ungenannten Autors, auch wenn diese dort abgehandelt wird. Vielmehr beschäftigt sich "Heldenfriedhof" mit den Tätern, den Taten des Dritten Reiches und dem, was danach geschehen, oder besser gesagt, nicht geschehen ist. Thomas Harlan hat es nicht nötig anzuprangern, sondern lässt die Tatsachen, die zusammengestückelten Informationen, Briefe oder Interviews einfach für sich sprechen, wenn er aufzeigen will, dass zu vieles vergessen und vergeben wurde.
Es fällt schwer, gerade dieses Thema der Vernichtung und die unzähligen Grausamkeiten aufzubereiten, da schon so viel darüber geredet, gelesen und geschrieben wurde. Doch eben durch die seltsame Distanz, die fehlende Möglichkeit, sich in die Täter hineinzufühlen, die nicht vorhandene Dramatisierung wird die Vergangenheit entsetzlich und greifbar. Thomas Harlan ist schon sein ganzes Leben davon besessen, die Wahrheit oder vielmehr die Fakten ans Tageslicht zu bringen und dieses Handlungsmotiv ist auch deutlich in seinem Roman zu spüren.
"Heldenfriedhof" ist ein Roman über Kriegsverbrecher und eine obsessive Suche nach Informationen. Mit diesem Werk hat Thomas Harlan seine lebenslange Suche und Arbeit verewigt, jedoch auf Kosten der Lesbarkeit. Doch wer gewillt ist, sich durch diesen sperrigen, wüsten Berg aus Seiten zu kämpfen, erfährt mehr und intensiver, was geschehen ist, als durch jede andere sentimentale Geschichte. Ganz eindeutig schwere Kost.