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 Erlanger Studien zur Anglistik und Amerikanistik, Band 9: All-Macht und Raum-Zeit

Gottesbilder in der englischsprachigen Fantasy und Science Fiction


Cover
Gesamt +++++
Anspruch


Sekundärliteratur über Fantasy ist noch immer eine Seltenheit. Philologen trauen sich nur mit spitzen Fingern an dieses Genre, und bei der Science Fiction sieht es nur wenig (wenn auch ein bisschen) besser aus. Deshalb ist es mehr als erfreulich, dass der LIT-Verlag diese äußerst lesenswerte Arbeit von Johannes Rüster herausgebracht hat: "All-Macht und Raum Zeit. Gottesbilder in der englischsprachigen Fantasy und Science Fiction". Sie richtet sich dabei gleichermaßen an Anglisten wie Amerikanisten, an Kultur- wie Religionswissenschaftler, und spürt dabei einem wichtigen Topos moderner SF und Fantasy nach: dem Verhältnis von Phantastik und Religion, von Genese und Gottesnatur. Denn dieses Thema wird in zahlreichen SF/Fantasy-Romanen behandelt, in einer erstaunlichen Vielschichtigkeit, wie Johannes Rüster in seiner 300-seitigen Arbeit nachweist.

Anhand einer breit ausgewählten Primärliteratur - von J.R.R. Tolkien ("Der Herr der Ringe") bis Matt Ruff ("Fool on the Hill"), von Robert Heinlein ("Stranger in a strange world") bis Neil Gaiman ("American Gods") - untersucht Rüster gängige wie ungewöhnliche Gottesbilder und Religionsentwürfe der genannten Genres. Diese steckt er zunächst in einem obligatorischen Eingangskapitel ab; seine Gattungsbestimmung zeigt dabei erneut, unter welchem Rechtfertigungsdruck "seriöse" Literaturwissenschaft steht, die sich mit "unseriöser" Genreliteratur auseinandersetzt. Rüster stellt dabei aber selbstbewusst eigene Definitionen auf und hält sich und die Leser weder mit universitärem Dünkel noch mit Phrasen eines Phantastikliebhabers auf. Stattdessen ordnet er im Hauptteil seine Ergebnisse, die - der breiten Lektüre geschuldet - durchaus für repräsentativ gelten können, in prägnante Unterkapitel, um die "Götter" der Fantasy und SF als Archetypen zu erfassen und ihren symbolischen Wert zu entschlüsseln. Er zeigt damit, dass die Phantastik von christlichem Offenbarungseid bis zur wütenden Theodizee, von zynischer Götterdämmerung bis zu aufklärerisch-technokratischer Gotteserklärung alle gängigen Theorien, Ideen und Ansätze der Religionsphilosophie aufgreift und widerspiegelt. Da tauchen Götter als Richter und Beschützer auf, als Erben des griechischen Pantheons, als Wiedergänger von Moses, Jesus, Mohammed und Zarathustra. Gottesmaschinen und blasphemische Zerrbilder, idealisierte Schöpfer und gnostische Gegenbilder - die Phantastik schöpft, so scheint es, bewusst oder unbewusst aus allen Mythen und Denkmodellen des Abendlandes.

Der große Wert von Rüsters Arbeit ist dabei vor allem sein Ansatz, nicht nur die schon jetzt in Marmor gemeißelten Klassiker - Tolkien, Herbert, Bradbury, LeGuin - in seine Überlegungen mit einzubeziehen, sondern auch zeitgenössische Autoren wie Matt Ruff oder Jasper Fforde. Sicher, ein paar Namen aus der heutigen High Fantasy vermisst man; aber hier hat sich tatsächlich jemand die Mühe gemacht, nicht nur einseitige Exegese zu betreiben, sondern tatsächlich Strukturen eines Genres zu umreißen. Das ist ebenso wichtig wie ungewöhnlich, zeigt nebenbei den großen Nachholbedarf der Literaturwissenschaft, sich mit Genreliteratur auseinanderzusetzen, und ist darüber hinaus auch noch hoch spannend, da Rüster sich wirklich an der Primärliteratur abarbeitet. Ein empfehlenswertes Buch, dessen Wert gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann.

Hagen Hoffmann



Taschenbuch | Erschienen: 01. Februar 2007 | ISBN: 9783825898519 | Preis: 29,90 Euro | 322 Seiten | Sprache: Deutsch

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