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Das Fernsehprogramm ist zurzeit bevölkert von zahlreichen Tier- und Tierarztsendungen, in denen man Land- oder Kleintierärzten bei ihrer Arbeit zusehen oder einen Blick in Spezialkliniken für Tiere werfen kann. Nahezu unbekannt ist aber wohl der Mann, der als "Erfinder" dieses Genres bezeichnet werden kann: James Herriot, 1916 in England geboren, ist der Autor zahlreicher autobiografischer Romane, in denen er seine langjährige Arbeit als Tierarzt beschreibt. Die einzelnen Begebenheiten sind wahrhaftig, allerdings zugunsten der Komik und Kuriosität stark überzeichnet; zudem entsprechen die Namen der einzelnen Personen nicht den Originalnamen. Diese Romane, die geprägt sind von Komik, aber auch von tragischen und traurigen Momenten, erfreuten sich großer Beliebtheit und tun es zu Recht auch heute noch. Eine Umsetzung als BBC-Fernsehserie, die in Deutschland im Vorabendprogramm lief, war ebenfalls ein Erfolg. Herriot beschreibt nicht nur seine Tätigkeit als Landarzt, sondern schildert in zahlreichen Anekdoten das Lebensgefühl in den grünen Hügeln von Yorkshire; vor allem aus heutiger Sicht sind die Erzählungen aus den 1940er Jahren sehr interessant. Es handelt sich so gesehen nicht nur um Tiergeschichten, sondern auch um ein Zeitzeugnis.
Im Audiobuch Verlag sind in den Jahren 2004 und 2005 bereits vier Anekdoten des Tierarztes als einzelne Lesungen erschienen. Das hier rezensierte Hörbuch fasst unter dem Titel "Der Doktor und das liebe Vieh" zwei dieser Geschichten auf insgesamt vier CDs zusammen. Es handelt sich also um eine Mini-Sammelbox ausgewählter Anekdoten. Gelesen werden beide Episoden von Frank Arnold, der sich als Sprecher von Hörbüchern bereits einen Namen gemacht hat.
Die erste Episode schildert unter dem Titel "Ankunft in Darroby", wie Herriot als junger Tierarzt, der gerade sein Studium beendet hat, in die Yorkshire Dales reist, um dort eine Assistenzstelle bei Dr. Siegfried Farnon anzutreten. Hier hat sich der Verlag einen irritierenden Schreibfehler geleistet und den Ort, der in den Romanen stets "Darrowby" geschrieben wird, als "Darroby" bezeichnet. Darrowby ist ein fiktiver Name, der aus den beiden Ortschaften Sowerby und Borrowby zusammengesetzt wurde. Zurück zur Handlung: Herriot, geprägt von zahlreichen Horrorgeschichten, die unter jungen unterbezahlten Assistenzärzten kursieren, weiß nicht so genau, welches Bild er sich von seinem zukünftigen Arbeitgeber machen soll. Vor Herriots innerem Auge konkurrieren vor allem zwei Bilder: das des kleinen, beleibten und stets fröhlichen Deutschen, und das des einschüchternden Teutonen mit Stoppelhaarschnitt und kalten Augen. Was Herriot tatsächlich im Haus seines zukünftigen Chefs vorfindet, könnte britischer nicht sein. Siegfried Farnon ist humorvoll, ziemlich eigen und vor allem höchst chaotisch. Es dauert nicht lange, da warten die ersten Herausforderungen auf den jungen Tierarzt James Herriot
Die zweite vertonte Episode, "Tricki Woos Party", greift eine der kuriosesten Gestalten aus James Herriots Memoiren heraus: den übergewichtigen Pekinesen Tricky Woo, der das Ein und Alles seiner Besitzerin Mrs. Pumphrey ist. Die verwitwete Dame ist steinreich und kann es sich leisten, exzentrisch zu sein. In Tricky Woos Namen verschickt sie großzügig Einladungen und Geschenke. Herriot, der Tricky Woos Leibarzt ist, erhält eine Einladung zu einer Party, die der kleine Hund gibt. Er schämt sich zunächst, sie anzunehmen. Andererseits ertrinken die Schamgefühle schnell in Visionen in Gestalt von Kisten mit Bücklingen, Sherry und Portwein, die Tricky Woo zu verschenken pflegt. Herriot besucht also die Party und fühlt sich ausgesprochen wohl in dieser Glitzerwelt aus Champagner und High Society.
Obwohl Herriots Erinnerungen "nur" von seinem Leben als Tierarzt handeln und einige Jahrzehnte alt sind, gehören sie auch heute noch zum Besten, was das Genre "Tiergeschichten" zu bieten hat. Die Schilderungen des Autors sind einfach unvergleichlich humorvoll - wenn auch nicht brüllend komisch, sondern eher subtil-verschroben -, lebensnah und charmant. Die Schilderungen von Darrowby sind hinreißend und lassen Herriots Wahlheimat, die grünen Hügel, lebhaft vor dem inneren Auge erscheinen. Frank Arnold als Sprecher erweist sich als gute Wahl für diese Lesung. Er liest recht schnörkellos, aber mit viel Sinn für die humorvollen Stellen und auf eine Weise altmodisch, die unbedingt zum zeitlichen Rahmen der Geschichten passt.
Fazit: Liebevoll umgesetzt, wunderbar altmodisch und mit viel, viel Herz und Humor - ein nostalgisch-schöner Hörtipp für Tierfreunde, mit Frank Arnold als Sprecher hervorragend umgesetzt. Die beiden Episoden sind für eine Hör-Box recht gut ausgewählt, auch wenn sie nur einen Bruchteil aus James Herriots reichem Schatz an Anekdoten abdecken. Wer die Herriot-Hörbucher aus dem Audiobuch Verlag bereits kennt, muss hier aufpassen, denn es handelt sich nicht um neu vertonte Geschichten, sondern um eine Zusammenfassung bereits bestehender Lesungen. Wer plant, sich die Hörbücher zu kaufen, sollte bei dieser Box zugreifen; man bekommt hier zwei Episoden zum gleichen Preis wie die Einzellesungen.