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Dank der Verkettung unglücklicher Umstände geriet von zweihundertfünfzig Jahren ein Manuskript des Freiherrn Carl Friedrich Hieronymus von Münchhausen in Vergessenheit. Erst Heinz Janisch gelangte durch Zufall an die teils unbekannten Lügengeschichten des Barons und legte sie Aljoscha Blau vor, um sie zu illustrieren. Der Aufbau-Verlag druckt nun diese Weltsensation und eröffnet einen neuen, tiefen Blick in das Werk eines der berühmtesten Chronisten - so dessen eigene Einschätzung - der Weltgeschichte.
Neben den altbekannten - hier jedoch in einer gekürzten, knappen und leicht verständlichen Sprache abgefassten Geschichten wie "Das Pferd auf dem Kirchdach", "Der Ritt auf der Kanonenkugel", "Die wundersame Rettung aus dem Sumpf, "Die Reise nach Ägypten, "Die Wette mit dem Sultan, "Das verschwundene Meer" und "Der Ritt auf dem Seepferd", finden sich neue, unbekannte Geschichten.
In "Die Schlacht zur Weißen Feder" beweist Münchhausen, wie einfach man einen aussichtlosen Kampf in ein großes Gelächter verwandeln kann. "Der Erdumdreher" ist eine Posse, in der ein Mann es tatsächlich vermag, die Erde unter seinen Füßen drehen zu lassen. Auch in "Ein Sack voll Sonnenlicht" verblüfft eine unbekannte Frau Münchhausen sehr, denn ihr gelingt, was nicht mal der Baron zu leisten imstande ist. "Das Konzert im Wal" wiederum ist der Beweis, das gute Musik an wirklich jedem Ort der Welt möglich ist - sei es auch der Bauch eines Wals.
Durch den im Vorwort geschilderten, eleganten und lustigen Einfall des Autoren, geben sich die Geschichten den Anstrich des historischen und wiederentdeckten. Dies ist zwar leicht zu durchschauen, wirkt aber für diese Lügengeschichten sehr passend und ist dank der humorvollen und liebevollen Art sehr gelungen. Von den verwendeten Schriftarten, über deren Farbgestaltung bis hin zum vermeintlichen Faksimile des handschriftlichen Briefes des Barons an den Empfänger des Manuskriptes ist sehr sorgfältig und optisch überzeugend versucht worden, dieses Konzept durchzuhalten.
Zwar ist die Form perfekt, der Inhalt der Geschichten aber geht einen völlig anderen, in dieser Hinsicht nicht passenden Weg. Die Texte des Bibliothekars Rudolf Erich Raspe und des Schriftstellers Gottfried August Bürger, die die "Original-Münchhausen-Geschichten" geschrieben und umformuliert haben, strotzen nur so vor komplexen Sätzen, altertümlichen Formulierungen und Manierismen.
Heinz Janisch hingegen hat die Texte gekürzt, entschlackt und vereinfacht. Er hat sie für Kinder in eine ansprechende, fast simple Form gebracht und erstmals einen Zugang zu diesem Stück Weltliteratur auch für Kinder geschaffen. Doch er lässt es nicht dabei bewenden, sondern fügt eigene Geschichten hinzu - natürlich unter dem eingangs erwähnten Deckmantel des wiederentdeckten Originalmanuskriptes.
Man kann über die Qualität und Machart der gekürzten Original-Texte durchaus verschiedener Meinung sein, denn viel von dem Charme der Vorlage geht unzweifelhaft verloren und aus den langwierigen, komplizierten und wechselvollen Geschichten werden sehr kurze, knappe, fast stenografisch anmutende "Lügenhäppchen". Leider fehlt den neuen Geschichten der Hintergrund völlig und der Leser, der sich bei den gekürzten Texten noch deren ursprüngliche Dichte und Erzählkunst vorzustellen vermochte, kann den unbekannten, neuen Texten dies nicht mehr abgewinnen. Sie entbehren des Charmes der Münchhausen-Geschichten völlig und sind meist nicht oder nur wenig interessant.
Was aber den erwachsenen Lesern missfällt, trifft bei Kindern genau den richtigen Nerv. Für sie sind diese Geschichten geschrieben und gekürzt. Sie finden sofort Gefallen an den Lügengeschichten, die leicht verständlich, witzig-ironisch und locker daherkommen.
Das Hauptaugenmerk dieses wundervoll gemachten Buches - der orangefarbene Leinenrücken, das elegant wirkende Querformat und die grafische Ausstattung sind perfekt - konzentriert sich aber von der ersten Seite an auf die Illustrationen.
Aljoscha Blau gelingt es den Kern der Geschichten zu erfassen und zu veranschaulichen. Im Grunde können auch kleinste Zuschauer diese Geschichten betrachten und verstehen. Die fast altertümlich wirkenden Bilder sind kleine Kunstwerke. Sie laden zu längerer Betrachtung ein und immer wieder entdecken auch die erwachsenen Betrachter neue Details und Anspielungen. Diese Bilder adeln diesen Band. Sie passen sowohl perfekt zu den Geschichten des Lügenbarons, als auch zu den neuen Geschichten und fügen eine Tiefe hinzu, die die knappen Texte nicht erreichen.
Dieser sehr schön gemachte Band ist eine Mischung aus genialem Einfall, mittelmäßigen Geschichten und erstklassigen, brillanten Illustrationen. Er wird bei Erwachsenen wie Kindern gefallen finden - auch wenn die Texte meist zu kurz, zu knapp und zu simpel geraten sind.