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Nach Orks, Zwergen, Elfen, Trollen und Drachen wird es langsam knapp in den Reihen typischer Fantasy-Rassen, die sich gut zu einem Roman verwursten lassen. (Böse Zungen behaupten, dass auch in manch vorangegangenem Roman bereits weniger die namengebende Rasse im Vordergrund stand.) Doch von solchen Behauptungen wollen wir uns den Spaß an Fantasy im Broschurformat nicht madig machen lassen, zumal sich unter besagten Werken schriftstellerischer Natur die eine oder andere lesenswerte Perle wiederfindet. So erwartete man mit Spannung den neuesten aus der Reihe der Fantasy-Rassen-Romane im Broschurformat: "Die Kobolde" aus der Feder von Karl-Heinz Witzko.
Brams, Hutzel, Riette und Rempel Stilz sind Kobolde. Sie kommen aus dem Koboldsland in die Menschenwelt und tauschen dort Babys gegen Wechselbälger aus - oder besser gegen Wechselta.(lg), welches sich im Nachhinein zu einer äußerst boshaften Variante des entführten Kindes entwickelt. Um zwischen den Welten zu wechseln, bedienen sie sich ihrer Tür, die sich in letzter Zeit allerdings als etwas unzuverlässig erwiesen hat. Genau zu dieser Zeit lässt sich Brams, der eigentlich als sehr verhandlungssicher gilt (zumindest nach seiner Ansicht), dazu überreden, zusammen mit seinen Leuten einen Sonderauftrag auszuführen. Doch dabei läuft so einiges schief, und plötzlich finden sich die vier Kobolde in der Menschenwelt gefangen - doch damit nicht genug: Die weiße Frau, ihres Zeichens Königin des Reiches, hat es anscheinend auf die gestrandete Gruppe abgesehen.
Wer den Autor und seine vorangegangenen Werke kennt, weiß, dass man bei ihm keine gewöhnliche Fantasy vorgesetzt bekommt, sondern mit einem sehr individuellen Stil rechnen muss. Dieser zeichnet sich vor allem aus durch seinen Humor der etwas beißenden Art und durch die komplexen Lebensphilosophien seiner Protagonisten. So wird er von vielen Fans des "schwarzen Auges" für seine Arbeiten zur Insel Maraskan und dem Glauben ihrer Einwohner noch heute hoch geschätzt, auch wenn er nicht mehr aktiv an der Weiterentwicklung dieser Rollenspielwelt beteiligt ist.
Zuerst das Positive vorweg: Auch den "Kobolden" merkt man die Witzkosche Feder an. Der Roman hebt sich schon aufgrund seines Stils dankbar von der leider so weit verbreiteten 08/15-Fantasy ab. Witzkos Einfälle sind originell, kurios und unterhaltsam. Aus den umfangreichen 405 Seiten wird somit ein kurzweiliges Lesevergnügen, bei dem der Leser über die Erlebnisse der vier außergewöhnlichen Protagonisten regelmäßig zum schmunzeln gebracht wird. Vor allem Fans von Terry Pratchett, die einmal etwas anderes lesen wollen, sei dieser Roman wärmstens empfohlen.
Dennoch: So ganz zu überzeugen vermag "Die Kobolde" leider nicht. Sowohl in Witzkos DSA-Büchern als auch in "Das Traumbeben" war sein typischer Humor eher Beiwerk denn Hauptaugenmerk der Geschichte. Vielmehr lag der Schwerpunkt dort auf der Beschreibung fremder, in unseren westlichen Augen exotischer Kulturen. Witzko versuchte, dem Leser das Unbekannte, schwer Begreifbare nahezubringen, zum Beispiel indem er einen Geier mit all seinen typischen Verhaltensweisen zum Protagonisten seines Romans machte, oder der maraskanischen Philosophie Leben einhauchte. Diese Besonderheiten sucht man in diesem Buch leider vergebens. Es hat den Anschein, als ob der Autor hier ganz bewusst einen Roman geschrieben hat, der in erster Linie auf Humor setzt, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Dies mag keinesfalls schlecht sein, doch Fans von Karl-Heinz Witzko werden - nach langer Durststrecke - von diesem Buch eher enttäuscht sein.
"Die Kobolde" ist in der Riege der Fantasy-Romane eindeutig etwas besonderes. Wer nach Abwechslung von dem gebräuchlichen Fantasy-Plot-Schema sucht, dem sei angeraten, den "Kobolden" eine Chance zu geben. Vergleiche zu Pratchett braucht der Autor in punkto Humor jedenfalls nicht zu scheuen. Bedauerlicherweise ist dies auch der wohl kommerziellste Roman Karl-Heinz Witzkos geworden, der die Feinheiten früherer Werke vermissen lässt und somit wohl viele Fans von ihm enttäuschen wird. Wer aber einfach nach unterhaltsamer und humorvoller Fantasy abseits der Norm sucht, der sei hier bestens bedient.