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Nicht, dass das Leben von Penelope Wallace bisher in ruhigen Bahnen verlaufe wäre - aber dieser Nachmittag im November 1954 sollte wirklich alles ändern. Oder besser, der Anfang von vielen Veränderungen sein.
An diesem Tag in der kalten Jahreszeit trifft Penelope Charlotte Ferris zum ersten Mal. Das Mädchen in dem grünen Mantel baut sich vor der Bushaltestelle auf und fragt, ob jemand ein Taxi mit ihr teilen möchte - und meint dabei doch ganz allein Penelope. Zu ihrer eigenen Überraschung willigt Penelope ein und landet beim fünf Uhr Tee bei Charlottes Tante Clare. Dort lernt sie auch Charlottes Cousin Harry kennen, einen interessanten jungen Mann, der ein braunes und ein blaugrünes Auge besitz und sich sein Geld als Magier verdient. Zudem ist er unsterblich in eine reiche Amerikanerin verliebt, die ihn wegen eines passableren Mannes (sprich reich und einflussreich) verlassen hat, den sie zu heiraten gedenkt.
Bisher drehte sich in Penelopes Welt alles um ihre Kurse an der Uni, die ihr nicht sonderlich liegen, um ihre leidenschaftliche Verehrung von Johnnie Ray - und um die Sorgen, die der Familienwohnsitz Milton Magna mit sich bringt. Denn seit ihr Vater im Krieg gefallen ist verfällt das riesige alte Haus nur noch, da kein Geld für Reparaturen oder Instandsetzungen vorhanden ist. Penelopes junge Mutter (mit einer 18-jährigen Tochter gerade mal 35 Jahre alt), ist mit der Situation ziemlich überfordert und gibt sich lieber ihrer Sehnsucht nach ihrem verstorbenen Mann hin oder kauft viel zu viele, viel zu teure Dinge ein. Zudem macht sie sich große Sorgen, dass Penelopes Bruder Inigo versuchen könnte Popstar zu werden, wo er doch so verrückt nach dieser neumodischen, amerikanischen Musik ist. Und bei Penelope ist auch noch kein reicher zukünftiger Ehemann aus gutem Hause in Sicht - dabei war Mrs. Wallace schon mit siebzehn Jahren verheiratet und Mutter.
In diese sorgenvolle Welt platzen Charlotte, mit ihrer Bewunderung für Magna und Literatur, und Harry mit seinem chaotischen (Liebes)Leben - und ehe Penelope es sich versieht, nehmen sie die beiden ebenfalls verarmten Snobs mit auf sagenhafte Partys und führen sie erst richtig in die Gesellschaft der Schönen und Reichen ein. Doch dann tritt Harry mit einer Bitte an Penelope: Sie soll bei der Verlobungsfeier seiner reichen Ex-Geliebten seine Freundin spielen, um diese eifersüchtig zu machen, damit Harry sie zurückgewinnen kann. Penelope willigt ein, auch wenn sie nicht wirklich weiß warum. Schließlich kommt sie mit Harry nicht besonders gut aus.
Aber bis zum Sommer soll sich noch einiges in ihrer Welt ändern - besonders sie selbst.
Eve Rices Roman "Die verlorene Kunst, Liebschaften zu pflegen" wird als Liebesgeschichte im Stile Jane Austens verkauft - was man schon fast als Mogelpackung betrachten könnte. Denn auch wenn Liebschaften vorkommen und ihren berechtigten Platz in dieser Geschichte einnehmen, ist es eigentlich kein Liebesroman. Es geht vielmehr um ein Mädchen, das in der Nachkriegszeit langsam erwachsen wird. Durch ihre neuen Freunde öffnen sich für Penelope neue Horizonte. In Charlotte findet sie eine beste Freundin, die ihre Leidenschaft für Johnnie Ray teilt, ihr bei ihren Literaturessays hilft und mehr über Magna weiß, als sie selbst. Zudem hat Penelope in Charlotte und auch in deren Tante Clare Menschen gefunden, mit denen sie endlich über ihre Probleme und Sorgen, die zu Hause Tabuthemen sind, reden kann.
Harry dagegen ist eine ständige Herausforderung für unsere Heldin, jemand, der ihre Gefühle verwirrt - aber niemand, in den sie sich verlieben würde. An dieser Meinung hängt Penelope sehr lange fest. Praktisch bis zum Ende des Romans, in dem sich die Ereignisse in einer Art Kaleidoskop zu überschlagen drohen. An diesen Stellen droht auch der Leser sich ebenso wie die Ich-Erzählerin des Romans etwas zu verlieren. Aber dies passt auch zur Stimmung, in der sich Penelope befindet.
Ob Jane Austen solche Bücher schreiben würde, wenn sie heute noch lebte, ist fraglich. Aber ihre Fans dürften sich an dem Roman erfreuen. Es ist eine liebenswerte, skurrile Geschichte, die das England der 50er Jahre, mal heiter, mal melancholisch, mit all seinen Widersprüchen auferstehen lässt. Die Charaktere wachsen einem so schnell ans Herz, wie Penelope von Charlotte und Tante Clare empfangen wird. Die Handlung nimmt den Leser mit ihren Wendungen und verschlungenen Pfaden langsam aber stetig immer mehr in ihren Bann, bis man das Buch gar nicht mehr aus der Hand legen kann.
Eva Rices Deutschlanddebüt ist mit diesem Roman wahrlich gelungen.