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 Fünf Jahre meines Lebens

Ein Bericht aus Guantanamo


Cover
Gesamt +++++
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis


Murat Kurnaz wurde als Sohn türkischer Einwanderer in Bremen geboren und wuchs auch in Bremen auf. Im Oktober 2001, also kurze Zeit nach den Anschlägen am 11. September, fliegt er nach Pakistan, um dort für zwei Monate eine Koranschule zu besuchen. Am 1. Dezember will er zurück nach Deutschland fliegen, wird aber auf der Busfahrt zum Flughafen von der pakistanischen Polizei in Gewahrsam genommen und schließlich, wie er später erfährt, für 3000 Dollar an die Amerikaner verkauft. Die Amerikaner fliegen ihn zunächst nach Afghanistan, wo er im US-Geheimgefängnis Kandahar interniert wird. Im Februar 2002 wird er nach Guantanamo überführt und erst im August 2006 wieder freigelassen und nach Deutschland zurückgeflogen.

In "Fünf Jahre meines Lebens" erzählt Murat Kurnaz, unterstützt von seinem Ghostwriter Helmut Kuhn, von Folter und Willkür, von Schlaflosigkeit, von Krankheiten und der Angst vor amerikanischen Militärärzten, die ihren "Patienten" ohne Grund Finger oder andere Gliedmaßen entfernten. Er berichtet von Isolation in Blechcontainern ohne Sauerstoffzufuhr in eisiger Kälte oder brutaler Hitze, vom Hängen an Eisenketten und Elektroschocks. Die ganze Palette der Grausamkeit menschlichen Verhaltens scheint abgedeckt. "Weißt du, was die Deutschen mit den Juden gemacht haben", fragt ihn ein Soldat, als er in Guantanamo ankommt. "Genau das machen wir jetzt mit euch."
Selten, aber hin und wieder, erzählt Murat Kurnaz auch von Soldaten, die sich ihr Menschsein bewahrten oder von Tieren, die durch die Zäune schlüpfen und die Gefangenen besuchen.

Immer wieder wird Kurnaz verhört und immer wieder bekräftigt er, kein Terrorist zu sein, kein Dschihadin. Obwohl er recht gut ins Raster zu passen scheint, sollen die USA bereits im September 2002 seine Unschuld als erwiesen angesehen und die deutschen Behörden über seine Entlassung informiert haben: "sodass eine Freilassung als von deutscher Seite erwirkt dargestellt werden kann." (BND an Berlin). Die deutschen Behörden jedoch lassen anscheinend nichts unversucht, eine Rückkehr von Murat Kurnaz nach Deutschland zu verhindern.

Helmut Kuhn hat als Ghostwriter sehr gute Arbeit geleistet. Das wissen umso mehr jene Leser, die schon Interviews mit Murat Kurnaz gesehen haben und seine Redeweise deutlich aus dem Buch heraushören können. Eine Chronik am Ende des Buches stellt politische Hintergründe und nochmals Eckdaten von Kurnaz’ Gefangenschaft dar und hilft dem Leser Kurnaz’ Schicksal in nationalen und internationalen Bezügen zu sehen. Fotos zeigen einen visuellen Auszug des US-Gefangenenlagers sowie Murat Kurnaz vor und nach seiner Inhaftierung.

Vielleicht gibt es Leser, die überlegen, ob sie dieses Buch wirklich lesen sollten, ob die darin beschriebene Grausamkeit überhaupt zu ertragen ist. Man könnte sagen, es gibt eine Grenze des Ertragbaren. Für Murat Kurnaz waren die fünf Jahre Haft Realität, die er ertragen hat. Und vielleicht kennt er deswegen diese Grenze so gut und überschreitet sie nicht.
Sachlich beschreibt er Folter und Willkür als einer, der sie überlebt hat. Ganz ohne Wut und Anklage schildert er, was ihm und mit ihm passiert ist, und irritiert dafür zuweilen mit religiösen Schwärmereien.

Das Buch ist nicht nur die Beschreibung eines Einzelschicksales, sondern auch und vor allem die Dokumentation eines Teils des amerikanischen Krieges gegen den Terror. Und genau das macht das Buch so wichtig. Kurnaz Schilderungen könnten erfunden sein, denn bis heute läßt die USA die internationale Öffentlichkeit nicht in ihren rechtsfreien Raum "Guantanamo" einsehen. Mittlerweile jedoch wird die Glaubhaftigkeit von Kurnaz’ Aussagen kaum mehr in Frage gestellt. So sind im Abschlussbericht des CIA-Untersuchungsausschuss des Europäischen Parlaments Kurnaz’ Aussagen zur Folter festgehalten.

Katja Maria Weinl



Taschenbuch | Erschienen: 01. April 2007 | ISBN: 9783871345890 | Preis: 16,90 Euro | 285 Seiten | Sprache: Deutsch

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