Spätestens seit ihrem Oscargewinn im Jahr 2007 für die Verkörpung der britischen Monarchin Elizabeth II. ist Helen Mirren auch dem größeren Kinopublikum bekannt. Cineasten freilich wissen schon seit Jahrzehnten von der außergewöhnlichen Präsenz der englischen Schauspielerin, die in ihrer Karriere eine enorme Wandlungsfähigkeit bewiesen hat. Sie spielte in Filmen von Peter Greenaway ("Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber"), Tinto Brass ("Caligula") und John Boorman ("Excalibur"), brillierte in Hollywoodkomödien ("Tötet Mrs. Tingle") ebenso wie im klassischen Ensemblekino ("Gosford Park"). Der mehr als verdiente Oscar für "The Queen" hat freilich auch hierzulande das Interesse an Mirrens Werk verstärkt; und diesem Interesse haben wir es wohl auch zu verdanken, dass die hochwertige BBC-Krimiserie "Prime Suspect" (deutscher Titel: "Heißer Verdacht") auf DVD veröffentlicht wird. Diese inzwischen siebenteilige Reihe hochwertiger Fernsehfilme lief im Jahr 1991 an und erntete sofort enormes Lob von Kritik und Publikum. Kein Wunder, denn schon dieser erste Teil, den Koch Media in einem Doppel-DVD-Set auf den Markt bringt, lässt den "Tatort"-sozialisierten Zuschauer im Sessel zusammenfahren.

Schnörkellos und ohne große Einleitung wirft uns Regisseur Christopher Menaul in die Handlung: Im Morddezernat Central London wird der Tod einer Prostituierten gemeldet, die brutal vergewaltigt und verstümmelt wurde. Ein Hauptverdächtiger namens George Marlow (John Bowe) wird rasch dingfest gemacht, der leitende Chief Inspector will schon die Anklageschrift fertigstellen - als ihn jäh ein Herzinfarkt dahinrafft. Damit schlägt die Stunde für Jane Tennison (Helen Mirren), die acht Jahre lang bei allen Beförderungen übergangen wurde - weil sie eine Frau ist. Denn die Widerstände im Morddezernat, eine Frau mit der Leitung zu beauftragen, sind enorm. Tennisons Vorgesetzter übergibt ihr die Leitung des Falls nur, als er Druck von oben bekommt. Und ebenso wie er ist auch das Team alles andere als begeistert über diese Entscheidung. Tennison, die sich voller Eifer in den Fall stürzt und dabei teilweise sogar übers Ziel hinaus schießt, bekommt mächtig Gegenwind: Informationen werden ihr vorenthalten oder zu spät übergeben, die Männer küngeln hinter ihrem Rücken und warten auf eine Gelegenheit, sie loszuwerden, allen voran der Ermittlungschef Otley (Tom Bell). Tennisons Entschluss, den Verdächtigen aus Mangel an Beweisen vorerst wieder freizulassen, stößt auf Unverständnis. Als dann eine zweite Frauenleiche auftaucht - auch sie vom selben Täter verstümmelt -, wächst Tennisons Überzeugung, dass George Marlow der Täter ist. Aber noch fehlt der entscheidende Beweis ...

"Heißer Verdacht" ist von der ersten Sekunde an spannend, begeistert durch seine messerscharfen Dialoge und eine erstklassige Darstellerriege. Tatsächlich greifen hier zwei Handlungsebenen ineinander; denn ebenso spannend wie die Entwicklung des Kriminalfalls ist der harte Kampf Jane Tennisons gegen die Mauer männlicher Arroganz. Der Geschlechterkampf wird mit harten Bandagen ausgetragen - mit tödlichen Blicken, Gesten, Hinterzimmergesprächen ... ebenso fesselnd wie der Mordfall selbst. Das ist natürlich auch und vor allem Hellen Mirrens spektakulärer Darstellung zu verdanken. Sie verkörpert Chief Inspector Jane Tennison mit einer Intensität, die man nur bewundern kann: als eine Frau auf (zunächst) verlorenem Posten, die mal unbeherrscht, mal unmenschlich kalt ihren männlichen Kontrahenten entgegentritt, die mit ihrem Ehrgeiz, ihrer Ungerechtigkeit gegenüber der eigenen Familie und immer wieder hervorbrechenden Selbstzweifeln derart komplex gezeichnet ist, dass man für einen Moment vergisst, hier "nur" einer Schauspielerin zuzusehen. Mirren ist es auch, die diesem grundsoliden und unspektakulär gefilmten Fernsehfilm jenen letzten Tupfer Glamour verleiht, der ihn weit aus der Masse hervorhebt.

Wer britische Fernsehkrimis à la "Für alle Fälle Fitz" schätzt, kommt an "Heißer Verdacht" nicht vorbei. Zwar kommt das DVD-Set selbst eher schlicht daher - ohne Booklet, Extras oder Untertitelspur -, aber Bild und Ton sind sauber und die Serie selbst über alle Zweifel erhaben. Ein Muss für jeden Fan anspruchsvoller Krimis, und natürlich für jeden alten oder neuen Helen Mirren-Fan.