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Sind Frauen, die lesen, gefährlich? Wenn man dem Titel des Buches von Stefan Bollmann aus dem Elisabeth Sandmann Verlag glauben darf, dann schon.
Aber was, so fragt man sich, soll an einer Frau und einem Buch denn so gewagt sein? Und doch, irgendetwas muss die Kombination von gedrucktem Wort und holder Weiblichkeit an sich haben, wenn man die Vielzahl an Künstlern in ihren unterschiedlichen Epochen sieht, die in diesem Buch vertreten sind und sich alle genau diesen Thema widmeten.
Der Bildband beginnt mit einem Vorwort von Elke Heidenreich, die ja nicht erst seit ihrer Sendung im Fernsehen eine besondere Verbindung zum Lesen hat. Hier erfährt der Leser und besser: die Leserin, was es nun mit lesenden Frauen auf sich hat. Sie, die Bewahrerinnen von Literatur und Wissen, sind es, die diese Kunstrichtung erst wirklich zu schätzen wissen, während man einen Mann geradezu zu einem Buch prügeln muss - es sei denn, er hat ein Feuerzeug dabei und will das Werk gerade anzünden.
Zum Glück für das Buch ist das Vorwort das einzig Polemische im ganzen Band.
Es folgt Stefan Bollmanns Einführung in die "Geschichte des Lesens in Bildern vom 13. bis zum 21. Jahrhundert". Hier wird anspruchsvoll, aber lehrreich über Gesellschaft, Malerei und das Lesen berichtet.
Mit diesem Vorwissen kann man sich nun den Bilderwelten und ihren gefährlichen, lesenden Frauen widmen.
Es beginnt mit "Wo das Wort wohnt - Begnadete Leserinnen". In dieser Frühphase der europäischen Gesellschaft spielte das Christentum eine entscheidende Rolle - egal ob in der Malerei oder in Bezug auf die Bücher und Schriften jener Epoche.
Es folgt ein Sprung ins 16. Jahrhundert in "Intime Momente - Verzauberte Leserinnen".
Auf diese meist einsamen Frauen folgt das Kapitel "Residenzen des Vergnügens - Selbstbewusste Leserinnen". Hier geht es um die Lust und Wonne des Lesens im 18. Jahrhundert zu Zeiten von Rokoko und Aufklärung.
Danach folgt das frühe 19. Jahrhundert in "Stunden der Wonne - Empfindsame Leserinnen". Hier wird die Verbindung von Literatur und Empfindsamkeit dargestellt.
Das 19. Jahrhundert wird mit "Die Suche nach sich selbst - Passionierte Leserinnen" abgeschlossen. Hier finden sich dann so berühmte Künstler wie Manet, Van Gogh und auch die Dame vom Buchcover wird dem Leser hier über den Weg laufen.
Das letzte Kapitel trägt schließlich den Namen "Kleine Fluchten - Einsame Leserin" und widmet sich dem 20. Jahrhundert. Dies ist auch der Teil des Buches, der sich unter anderem der Fotografie zuwendet. Darunter ist ein wirklich schönes Foto einer lesenden Marilyn Monroe.
Meist wird sowohl den Bildern als auch dem Text dazu jeweils eine Seite zugeräumt. Selten werden beide zusammen auf ein Blatt gequetscht. Doch selbst in diesen Fällen sind die Bilder noch groß genug, dass man sie hervorragend betrachten und auch Details erkennen kann. Die gute Qualität des Buches trägt das Ihre zu diesem Lesevergnügen bei.
In diesem Buch finden sich bekannte Künstler wie Rembrandt, Vermeer, Matisse und die oben genannten Manet und Van Gogh - zusammen mit weniger bekannten Kollegen, die noch zu entdecken sind oder wieder aus der Versenkung auftauchen müssen.
Sie alle verbindet, dass sie es auf unnachahmliche Weise schaffen, die Kraft des Lesens und der Leserinnen in ihren Bilder einzufangen. Es sind Bilder voller Anmut, Ausdruckskraft und Schönheit - alle sehr unterschiedlich und doch verbunden durch die lesenden Frauen in ihrem Mittelpunkt.
Das Buch beschreibt einen Bogen durch die Kunstgeschichte vom Mittelalter bis zur Moderne des 20. Jahrhunderts. Dabei liegt der Schwerpunkt eindeutig im 19. und 20. Jahrhundert. Sicher ein kluger Schachzug, denn besonders diese Bilder vermögen zunächst zu fesseln, nur um dann später dem Leser (oder der Leserin) dieses Buches die Augen für seine anderen Schätze zu öffnen.
Vielleicht ist man am Ende seiner Lektüre nicht wirklich schlauer, wenn es um die Frage geht, ob lesende Frauen nun gefährlich sind oder nicht. Und man kann vielleicht auch nicht den Zauber zwischen Kunst und Leserinnen lüften.
Aber wer Kunst und Bücher liebt und sich nicht vor lesenden Frauen fürchtet, sollte bei dieser kleinen Schatztruhe an besonderen Bildern zugreifen - denn es ist ein gefährlich gutes Vergnügen, in diesem Buch zu schmökern.