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Chemie ist nicht nur eine abstrakte Wissenschaft, "irgendwas mit Formeln und Buchstaben". Chemische Reaktionen bestimmen unser Leben, und die auffallenden pflanzlichen Farb- und Wirkstoffe sind nichts anderes als Chemie; die meisten von ihnen bestehen aus komplexen Molekülen, die sich jedoch ganz einfach nachweisen lassen.
Das fachübergreifende Buch von Georg Schwedt widmet sich den pflanzlichen Naturstoffen. Im ersten Kapitel stellt der Autor die wichtigsten Naturstoffe aus Pflanzen vor, darunter Ãtherische Öle, Fette Öle, verschiedene Gruppen von Farbstoffen, Gerbstoffe, Harze, Stärke und Pektine (die Letztgenannten dürften Marmeladenköchen wohlbekannt sein). Schwedt geht es jedoch nicht nur um die Zusammensetzung der Biomoleküle in verschiedenen Pflanzen, sondern auch um die Entdeckung dieser Stoffe. Er beschreibt Goethes aufwändige Arbeiten zum Thema und dessen Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Naturwissenschaftlern, zitiert aus verschiedenen historischen Kräuterbüchern, um aufzuzeigen, welche Bedeutung der Heilkraft vieler Pflanzen - und somit den in ihnen enthaltenen Naturstoffen - seit Jahrhundert zukommt, und wirbt für die Botanik.
Im Anschluss an diese recht gründlichen Ausführungen zeigt der Autor auf, welche Ausrüstung für ein Naturstofflabor notwendig ist. Die meisten der verwendeten Reagenzien finden sich im Haushalt beziehungsweise Supermarkt, beispielsweise Reinigungsmittel, Natron und Citronensäure, einige kann man in der Apotheke erwerben; praktisch alle Nachweise lassen sich in simplen Gläsern mit Schnappdeckel durchführen.
Im praktischen Teil werden zunächst einige Grundnachweise geführt, mit denen Stoffklassen und wichtige Elemente identifiziert werden können, beispielsweise Kalium, Oxalsäure und Stärke. Die auffallenden Pflanzenfarbstoffe, von denen etliche als Säure-Base-Indikatoren fungieren, werden natürlich ebenfalls behandelt.
In den Kapiteln zwei bis fünf geht es um Nachweise, die man jeweils in den Jahreszeiten Frühjahr bis Winter führen kann, wenn die entsprechenden Pflanzen blühen, Früchte oder Blätter tragen. Diverse Anhänge enthalten ein Literaturverzeichnis, ein Verzeichnis der Basis-Experimente, zahlreiche Strukturformeln von im Buch behandelten Stoffklassen beziehungsweise deren typischer Vertreter und ein Register.
Für wen eignet sich ein Buch, das sich auf den ersten Blick mit einem derart speziellen Thema befasst? Wer hat schon Spaß daran, mit "Chemie" herumzuexperimentieren?
Als erste Zielgruppe werden Lehrer angesprochen, die anhand der dargestellten Experimente nicht nur den Schülern die Möglichkeit geben können, selbst, vielfach auch zu Hause, die Natur auf ihre Bestandteile und Funktionen zu untersuchen, sondern zugleich das Rüstzeug erhalten, um fachübergreifende Zusammenhänge zu vermitteln. Gerade in der Naturstoffchemie liegen Biologie Chemie sehr dicht beieinander. Der Autor ergänzt den naturwissenschaftlichen Aspekt durch Historie, also Geschichte, Literatur beziehungsweise Lyrik - der die Natur als eine der Hauptvorlagen dient - und Medizin in Form der traditionellen Volksheilkunde. Diese Zusammenhänge sind gerade für heutige Schüler von großem Interesse, die zur Botanik nur noch einen geringen Bezug haben.
Somit eignet sich dieses Buch mit seinen einfachen, ohne großen materiellen und apparativen Aufwand durchführbaren Experimenten vorzüglich für den Unterricht und für schulische Projekte. Doch auch Jugendliche, die von sich aus naturwissenschaftliches Interesse hegen und gern experimentieren, können durch die im Buch beschriebenen und, wo nötig, auch interpretierten Versuche gefahrlos und ohne erhebliche Investitionen Erkenntnisse gewinnen und sich für eigenständiges wissenschaftliches Arbeiten inspirieren lassen.
Nicht zuletzt bereitet das Buch sicher Hobby-Botanikern Freude, die nicht nur an der Systematik der Pflanzen interessiert sind, sondern auch an deren Biochemie und kultureller Bedeutung.
Georg Schwedt hat mit seiner "Chemie für alle Jahreszeiten" ein Buch vorgelegt, das Natur und Naturwissenschaften für jeden Interessierten mit schulüblicher Vorbildung dank einfacher, billiger und überall durchführbarer Experimente nachvollziehbar und begreiflich macht. Darüber hinaus vermittelt der Autor, ein Chemiker, dem Leser Achtung und Freude vor beziehungsweise an der Pflanzenwelt. Chemie und Natur: kein notwendiger Widerspruch, sondern zwei Aspekte unserer Umwelt, die oft genug ineinander übergehen.