Mehr als 500 Jahre ist es mittlerweile her, dass jener Mann, den wir heute als Nostradamus kennen, das Licht der Welt erblickte. Und obwohl Nostradamus 1566 im Alter von 63 Jahren gestorben ist, lebt seine Legende bis heute weiter. Denn er ist es, der die Welt mit seinen treffenden Vorhersagen schon im 16. Jahrhundert verblüfft hat. Doch hat dieser Mann tatsächlich in unsere Zeit gesehen - mehr noch: Hat er in seinen Visionen auch unsere Zukunft gesehen? Jean-Antoine Nossem hat sich des Themas in seiner Dokumentation "Nostradamus" angenommen und versucht, den Prophezeiungen des Franzosen auf den Grund zu gehen.

"Nostradamus: Zeitreisender? Visionär? Schwarzmaler? Prophet? Er war von allem ein bisschen." So beginnt die 67-minütige Dokumentation über den 1503 geborenen Michel de Notre-Dame (altfranzösisch Michel de Nostre-Dame), der seiner Nachwelt vor allem unter seinem latinisierten Namen bekannt sein wird. Erste Aufmerksamkeit zog Nostradamus als Arzt auf sich, als er während der Pest durch effektive und bis dato unbekannte Heilmethoden unzählige Kranke von ihrem Leiden heilte. Hat der französische Gelehrte in seinen Visionen zukünftige Behandlungsmöglichkeiten gesehen - oder war er lediglich ein kluger Kopf, der das Geschick und den Verstand hatte, all diese Menschen zu heilen? Nostradamus jedenfalls muss von seinen Prophezeiungen überzeugt gewesen sein, hat er sie doch in Vierzeilern notiert und zu Papier gebracht. Und tatsächlich hat Nostradamus sein Können zu Lebzeiten immer wieder unter Beweis gestellt - so heißt es in einer Prophezeiung, die Nostradamus für Katharina de Medici machte: "Der junge Löwe überwindet den alten auf kriegerischem Feld im Einzelwettkampf. Im goldenen Käfig wird er ihm die Augen ausstechen. Von zweien dann stirbt einer eines grausigen Todes." Nur wenige Monate nach dieser Vorhersage trifft Katharina de Medicis Mann, König Heinrich II., in einem Turnier auf den schottischen Graf Montgomery. Montgomerys Lanze zerbricht beim Aufprall und ein Splitter dringt durch das goldene Visier des Königs in dessen Auge. Nach schmerzvollem Leiden erliegt der König zehn Tage später seiner Verletzung. Zwar waren die beiden Gegner ungefähr gleichen Alters, dennoch verblüfft und erstaunt die Genauigkeit von Nostradamus’ Prophezeiung so sehr, dass er spätestens ab diesem Zeitpunkt so populär wird wie heute ein berühmter Schauspieler oder Popstar. Es folgen zahlreiche weitere, ähnlich treffende Vorhersagen, und selbst seinen eigenen (natürlichen) Tod sagt Nostradamus auf den Tag genau voraus. Doch die Prophezeiungen jenes Mannes, der schon zu Lebzeiten eine Legende war, beschränken sich nicht nur auf das 16. Jahrhundert - im Gegenteil: Sie reichen bis weit in die Zukunft, hinein sogar bis ins vierte Jahrtausend. Doch sie zu interpretieren, ist keine leichte Aufgabe ...

Es fällt nicht schwer, sich von dem Mysterium Nostradamus faszinieren zu lassen. Selbst der skeptische Zuschauer wird sich der Genauigkeit, mit welcher der Visionär Gegebenheiten seiner Zeit voraussagte, kaum entziehen können. So gestaltet sich die erste halbe Stunde dieser mit fast siebzig Minuten überlangen Dokumentation sehr spannend und atemberaubend, zeigt sie doch die erstaunlichen Verbindungen zwischen Nostradamus’ Prophezeiungen und den Geschehnissen des 16. Jahrhunderts auf. In düsteren Bildern und mit atmosphärischer Musik entführt die Dokumentation in die Welt einer Legende, die bis heute fortlebt. Doch es sind die darauf folgenden vierzig Minuten, die den Zuschauer nur wenig überzeugen können und während denen der Spannungsbogen der Dokumentation drastisch abnimmt. Denn hier werden Voraussagen herangezogen, die weit über die Lebzeiten ihres Verfassers hinausreichen - und die Verbindung zwischen diesen Prophezeiungen und tatsächlichen historischen Ereignissen ist oftmals nicht mehr als spekulativ. Hinzu kommt die Problematik, dass Nostradamus seine Vierzeiler in einem Mischmasch aus Französisch, Latein und eigenen Wortkreationen verfasste und viele Dinge verschlüsselt oder umschrieben hat, da er beständig Gefahr lief, von der Inquisition festgenommen zu werden. Diese ungenauen Aussagen lassen bis heute Raum zu zahlreichen verschiedenen Interpretationen und machen es unmöglich, ein in einer Prophezeiung beschriebenes Ereignis im Voraus zu entschlüsseln. So dachte man beispielsweise, das in einer Vorhersage auftauchende Wort "Hister" bezöge sich auf die Donau, die im Lateinischen so heißt. Heute vermutet man, dass "Hister" für "Hitler" steht und Nostradamus die Schrecken des Dritten Reichs vorhergesehen hat. Durch die Schilderung derartiger Fehlinterpretationen kann vor allem der Skeptiker dem zweiten Teil der Dokumentation nicht mehr sonderlich viel abgewinnen, da auch von Experten eindeutig entschlüsselte Prophezeiungen oftmals nur wenige Gemeinsamkeiten mit den historischen Geschehnissen haben oder man diese nur mit sehr viel Fantasie erkennen kann.

Die Extras dieser sehr schön aufgemachten DVD sind weder spektakulär noch einer besonderen Erwähnung wert. Eine kurze Slideshow zeigt mystifizierte Standbilder der Dokumentation zu sehr stimmungsvoller Musikuntermalung und ein zwölfminütiges Making Of gibt dem Zuschauer einen Einblick hinter die Kulissen, der sich jedoch nicht als sonderlich lohnenswert erweist. Was allerdings sehr erfreulich ist, ist die Vielfalt der Tonspuren; so kann "Nostradamus" auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Spanisch gesehen werden. Im Gegenzug wurde jedoch auf Untertitel gänzlich verzichtet.

Fazit:
Es ist der erste Teil dieser Dokumentation, der den Zuschauer vor allem in seinen Bann ziehen kann. Denn hier überwiegt nicht die natürliche Skepsis gegenüber derartigen Prophezeiungen, sondern die Faszination ihrer tatsächlichen Genauigkeit. Nostradamus’ Vorhersagen für die kommenden Jahrhunderte und sogar Jahrtausende hingegen können nur wenig überzeugen.