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Frauen sind im Bereich der Naturwissenschaften bis in das 20. Jahrhundert hinein praktisch nicht anzutreffen. Das heißt aber nicht, dass es damals keine naturwissenschaftlich interessierten Frauen gegeben hätte. Ihre Begabungen und Neigungen, sofern angesichts des niedrigen Bildungsstandes überhaupt erkennbar, wurden einfach ignoriert oder "ausgetrieben".
Eine Ausnahme bildet Émilie du Châtelet, Angehörige des französischen Adels und langjährige Geliebte und "Muse" Voltaires. David Bodanis zeichnet in seinem Buch beider Lebensgeschichte nach, wobei er den Schwerpunkt auf Émilies wissenschaftliche Arbeit legt. Doch auch Émilies Privatleben ist alles andere als langweilig, wie Bodanis? Buch zu zeigen vermag: Émilie, deren Vater ihr eine gute schulische Erziehung zukommen lässt, gelingt es, über ihre gesellschaftlichen Verbindungen in Kontakt zu anderen Naturwissenschaftlern, darunter Maupertuis und Johann Bernoulli, zu treten und so ihre Kenntnisse zu erweitern. Sie lebt in einer arrangierten Ehe und geht, wie damals im französischen Adel üblich, Liebschaften ein, nachdem sie ihrem Mann pflichtgemäß Kinder geboren hat. Die Liebe ihres Lebens ist Voltaire, der sie anregt und, obwohl er ihr zumindest im naturwissenschaftlichen Bereich unterlegen ist, fördert. Émilie und er, der aufgrund seiner revolutionären Denkweise und Schriften häufig Verfolgte, führen eine wechselhafte Beziehung; ohne Émilie fällt es Voltaire schwer, schöpferisch zu sein. Sie wiederum befasst sich unter anderem mit Newton und Leibniz, forscht über mechanische und astronomische Aufgabenstellungen sowie über die Natur des Lichts, der Energie und der Wärme und übersetzt schließlich Newtons "Principia" aus dem Lateinischen ins Französische. Émilie stirbt zweiundvierzigjährig im Wochenbett.
An die Doppelbiografie, die mit Émilies Tod endet, schließt sich eine knappe Zusammenfassung von Voltaires verbleibenden Lebensjahren und den Konsequenzen aus Émilies wissenschaftlicher Arbeit an.
Sehr lebendig beschreibt der Autor Émilies und Voltaires Leben. Ganz offensichtlich hat er vorzüglich recherchiert und kennt sich mit den Gebräuchen am französischen Hof zur Zeit Ludwigs XV. aus, sodass er dem Leser sowohl die soziale und politische Situation, unter der beide oft litten und die vor allem Voltaire mehrmals fast zum Verhängnis wurde, als auch den häuslichen Bereich und die Forschungs- und Studienaktivitäten des Paares authentisch zu schildern vermag. Bodanis arbeitet gut heraus, wie sehr Émilie und Voltaire einander auch nach dem Ende ihrer zunächst leidenschaftlichen sexuellen Beziehung brauchten, wie Émilie Voltaires Werk beeinflusste und Voltaire Émilie unter anderem zu einigen philosophischen Fragestellungen hinführte. Auch die Rolle der anderen bedeutenden Menschen in beider Leben wird verständlich. Zudem rekonstruiert der Autor nicht einfach die Charaktere seiner Protagonisten, sondern lässt häufig Quellen sprechen, zumeist ausgesprochen persönliche Briefe, die dem Leser einen unmittelbaren Eindruck von Émilie und Voltaire vermitteln.
Bodanis? Sympathie für die außergewöhnliche Protagonistin ist unverkennbar, dennoch gelingt es dem Autor, ausreichende Distanz zu wahren. Nicht-Naturwissenschaftler brauchen das Buch nicht zu scheuen - es geht darin nicht ans fachlich "Eingemachte".
Das Buch enthält einen Abbildungsteil mit zahlreichen Fotos der beiden Protagonisten, den wichtigsten Menschen ihrer Umgebung sowie einigen Gebäuden, in denen Émilie und Voltaire phasenweise lebten.
Das oben erwähnte, sich an die Biografie anschließende Kapitel zeigt Émilies Bedeutung für die Weiterentwicklung der französischen Naturwissenschaft auf. Ein weiteres Kapitel, betitelt "Was wurde aus ??" befasst sich mit den Persönlichkeiten um die beiden Protagonisten und ihrem weiteren Werdegang, darunter Émilies Kinder, aber auch mit der Geschichte der von ihnen zeitweilig bewohnten Gebäude. Außer zahlreichen Anmerkungen finden sich im Anhang zudem umfangreiche, gut geordnete Literaturhinweise.
Das Buch erweist sich als wertvolles Fundstück für an Naturwissenschafts- und Philosophiegeschichte Interessierte, insbesondere die Frauen unter ihnen, dürfte jedoch auch Freunden des historischen Romans gefallen, denn trotz seiner Authentizität und seines Sachbuchcharakters ist es packend und einfühlsam geschrieben.