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Im Januar 2005 schrieben zwölf Autoren in der Literaturzeitschrift "Lose Blätter" über ihr Debüt. Renatus Deckert, Mitherausgeber der Zeitschrift, hat weitere Autoren überzeugen können, sich an ihr Debüt zu erinnern. Entstanden ist eine Anthologie, die mit 92 rückblickenden Autoren einen beachtlichen Querschnitt durch die deutschsprachige Literatur der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bietet: angefangen bei Ilse Aichingers Roman
Die größere Hoffnung von 1948 bis zu Lutz Seilers Gedichtband
berührt/geführt, erschienen 1995.
Welches Buch ihr erstes war, entschieden die Autoren selbst. So erzählt Günter Grass von der Niederschrift seines ersten Romans mit dreizehn Jahren im Kontobuch seiner Mutter: "Nach zwanzig Seiten ... waren alle Helden tot" und der Roman am Ende.
Die Debüts, die tatsächlich verlegt und gedruckt wurden, wurden ganz unterschiedlich auf- und wahrgenommen. Einige erschienen nur in ganz geringen Auflagen und sind heute, außer im antiquarischen Buchhandel, kaum mehr erhältlich. Peter Rühmkorfs Gedichtbändchen
Heiße Lyrik erschien 1956 in einer Auflage von 300 Stück und war für den Preis von 1,90 Mark zu haben. Heute muss man dafür 500 bis 600 Euro "auf den Tisch legen." Aber ob die Debüts nun wahrgenommen wurden oder nicht, so fällt doch auf, dass sehr viele von namhaften Verlagen veröffentlicht wurden.
So vielfältig wie die Autoren sind auch die Rückblicke. Adolf Engler denkt nur missmutig an sein erstes Buch
Weg in die Wische von 1960 zurück. Nie und nimmer würde er es signieren, auch wenn die Bitte "hin und wieder und gewiß nicht ohne Häme" an ihn herangetragen wird. Engler bietet sogar jedem, der ihm ein signiertes Buch zurückgibt, zehn Euro. Auch Hans Magnus Enzensberger findet sich nicht in seinem Gedichtband
verteidigung der wölfe von 1957 wieder. Heute quält ihn die Rhetorik seines ersten Buches. Adolf Muschg meint, er sei von dem 31jährigen Verfasser seines Erstlings "durch mehr als eine Generation getrennt" und "wenn sich die Haut alle neun Jahre physiologisch vollständig erneuert", stecke er "sogar physiologisch nicht mehr in derjenigen des Verfassers von
Im Sommer des Hasen". Ganz anders liest sich da Alexander Kluge, der offen eingesteht: "Ich mag meine frühen Bücher; also gibt es auch keinen Grund für Widerrufe." Auch verworfene Texte werden von ihm geliebt, und weil dem so ist, veröffentlicht er zwei davon im Buch. Thomas Brussig sieht in seinem ersten Roman
Wasserfarben "ein typisches Debüt - mit den Schwächen, aber auch mit dem Charme und der Unschuld eines Erstlings." Burkhard Spinnen erinnert sich an den Spruch eines Kollegen, der sagte: Das erste Buch wiederzulesen, sei, als träfe man seine erste Freundin. Zum einen droht die Peinlichkeit: "Das also war, wofür ich so gebrannt, woran ich so gelitten habe?" Zum anderen spürt man "die Überwältigung durch eine unerfüllte Sehnsucht nach dem, was einmal war."
Alle hier vertretenen Autoren sind Meister ihres Fachs. Sie wissen zu unterhalten. Mit einem Zwinkern erzählen sie Anekdoten rund um ihr erstes Buch, beschreiben ihre Gefühle, wenn sie es heute wieder aufschlagen, und schreiben über das Schreiben. In unterschiedlicher Länge und auf unterschiedliche Weise blicken sie zurück. So gibt es jede Menge Verrisse in diesem Buch, aber auch Momente des Wiedererkennens und des Erinnerns an einen Anfang.