Mit Sherlock Holmes, dem wohl berühmtesten Detektiv der Weltliteratur, gelangte der schottische Arzt und Schriftsteller Sir Arthur Conan Doyle zu großem Ansehen. Doch neben den Erzählungen um den exzentrischen Londoner Detektiv, der stets von seinem Freund Dr. Watson begleitet wird, hat Doyle noch etliche andere Geschichten und Romane verfasst, darunter den Kriminalfall "Die geheimnisvolle Kiste", der erstmals 1881 veröffentlicht wurde.

Gerade ist das Schiff, auf dem der Schriftsteller Hammond eine Seereise unternimmt, im Begriff, vom Kai abzulegen, da eilen zwei verspätete Männer an Bord, die Hammond auf den ersten Blick verdächtig erscheinen. Bei ihnen befindet sich eine geheimnisvolle Kiste, die ihrer Form nach zu urteilen eine Bombe beinhalten könnte. Auch die Gespräche der beiden Männer - allem Anschein nach ein Ire und ein Deutscher -, die Hammond in aller Heimlichkeit belauscht, deuten darauf hin, dass sie nichts Gutes im Schilde führen und das Schiff samt seiner Passagiere in die Luft zu sprengen planen. Soll Hammond den Kapitän warnen? Doch was ist, wenn er mit seiner Vermutung völlig falsch liegt und er die Hinweise verkehrt gedeutet hat? Da der Schriftsteller weder tapfer noch wagemutig ist, beschränkt er sich darauf, die beiden Männer fortan auf Schritt und Tritt zu verfolgen, um im Notfall doch noch einschreiten zu können ...

Obwohl "Die geheimnisvolle Kiste" fünf Jahre vor dem ersten literarischen Auftreten des Meisterdetektivs Sherlock Holmes entstanden ist, erkennt man als Hörer bereits deutliche Merkmale der späteren Detektivfigur, die sich besonders im Urteilsvermögen und der Kombinationsgabe des Schriftstellers Hammond bemerkbar machen, der sein abenteuerliches Erlebnis aus der ersten Person erzählt. Meisterlich beschreibt Arthur Conan Doyle das Innenleben seiner Hauptfigur, die begierig alle verfügbaren Hinweise aufnimmt und verarbeitet, dabei aber - was öffentliches Auftreten und physischen Einsatz angeht - ein rechter Hasenfuß ist. So entsteht über gut fünfzig Minuten hinweg nicht nur das Bild eines gelungenen Kriminalfalls, den Doyle darüber hinaus in eine herrliche Pointe treibt, sondern auch eine beeindruckende und tiefgründige Charakterstudie, die Hammond zu einer äußert runden und glaubwürdigen Figur werden lässt.
Wie schon Oscar Wildes Erzählung "Lord Arthur Saviles Verbrechen" wird auch diese Produktion der Literatur-Reihe des Stimmbuch-Verlags von Philipp Schepmann gesprochen, der sich durch sein Mitwirken bei zahlreichen Hörbüchern und Hörspielen bereits einen Namen gemacht hat. Auch bei "Die geheimnisvolle Kiste" stellt er sein Können ein weiteres Mal unter Beweis und lässt die Figur Hammond samt seiner Gedanken und Bedenken überaus plastisch und greifbar werden. Stimmig und nicht zu aufdringlich gestaltet sich die Musik- und Geräuschkulisse, durch die die vorliegende Erzählung zusätzlich noch Atmosphäre und Flair verliehen bekommt.

Fazit:
Hammonds Charakter erscheint zwar noch nicht ganz so ausgereift wie sein erfolgreicher Nachfolger Sherlock Holmes, doch auch seine Ermittlungen sind spannend und machen Laune, zumal sie von Philipp Schepmann hervorragend interpretiert und vorgetragen werden und auf einen wunderbaren Schluss hinauslaufen.