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 Jenseits von Theben

Autoren: Peter Prinz
Verlag: Queen Games

Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Glück
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung
Spielregel
Strategie


Zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte unsere Welt noch Geheimnisse. Da waren noch große Entdeckungen möglich, bargen die Ruinen altertümlicher Zivilisationen rund ums Mittelmeer noch Schätze, die nur auf ihre Ausgrabung warteten - man denke an die Maske des Tutanchamun oder die berüchtigten Schriftrollen von Qumran. In "Jenseits von Theben" kann man als junger Archäologe diese berühmten Schätze und weniger bekannte Kleinode selbst ausheben und ausstellen. Mit Indiana Jones und Lara Croft hat das fast gar nichts zu tun, in diesem Spiel muss man keine Eingeborenen, Monster oder Faschisten bekämpfen - der einzige Gegner ist die Zeit!

In "Jenseits von Theben" nimmt man nicht einfach die Schaufel in die Hand und springt ins nächstbeste Ausgrabungsloch. [imgleft]images/UploadGrafiken/JenseitsTheben1.jpg[/imgleft]Zunächst ist erst mal knallharte Recherche über die Grabungsorte Griechenland, Kreta, Ägypten, Palästina und Mesopotamien angesagt, denn ohne Wissen um die Fundorte kommt man bei seinen Expeditionen nicht weit. Die fünf Ausgrabungsorte sind auf einem Spielplan Europas aufgedruckt, genauso wie die wichtigen Städte London, Paris, Berlin, Rom, Wien, Warschau und Moskau. Es liegen stets vier Karten aus, die in einer der europäischen Städte aufgelesen werden können. Dabei handelt es sich meistens um Spezialwissen der farblich entsprechend codierten Grabungsgebiete, aber auch um Allgemeinwissen, Kongresse, Assistenten oder andere Bonuskarten. Wenn man dran ist, kann man zu einem Ort fahren und dort eine Aktion durchführen. Bei den europäischen Städten wird das fast immer die Aufnahme einer Karte oder die Durchführung einer Ausstellung sein, bei den Grabungsorten organisiert man immer eine Ausgrabung. Die Währung dabei ist Zeit. In einem Spiel zu viert hat man zwei Jahre, also zweimal 52 Wochen. Dabei kostet es beispielsweise eine Woche, um auf ein benachbartes Feld zu ziehen, für eine Karte mit drei Spezialwissen muss man vier Wochen studieren. Es ist immer derjenige am Zug, der auf der Zeitleiste am weitesten hinten steht - wenn die anderen also weit vorne sind, zieht man schon mal häufiger hintereinander.

Am wichtigsten ist das Sammeln von Wissen, denn ohne Kenntnisse über die entsprechenden Grabungssgebiete kann man keine effektiven Ausgabungen durchführen. Allgemeines Wissen, Assistenten, Einheimische oder Schaufeln helfen einem jedoch, wenn man graben möchte. [imgright]images/UploadGrafiken/JenseitsTheben2.jpg[/imgright]Wenn man eine Aushebung durchführt, zieht man verdeckt Plättchen aus dem Beutel des entsprechenden Orts. Auf einem speziellen "Chronokel" stellt man die eigenen Wissenspunkte ein und kann dann ablesen, wie viele Wochen man schaufeln muss, um eine bestimmte Anzahl von Plättchen aus dem Beutel ziehen zu können. Je mehr Wissen, desto effektiver das Verhältnis zwischen aufgewendeten Wochen und der Plättchenzahl, die man ziehen darf. Jedoch sind die Hälfte aller Plättchen in jedem Beutel wertloser Schutt und besonders wertvolle Schätze nur sehr selten vorhanden. Da zählt allein ein glückliches Händchen für die richtige Ausbeute. Mit bestimmten Kombinationen von Fundstücken aus verschiedenen Grabungsorten kann man dann auch Ausstellungen durchführen, die nochmals Siegpunkte bringen. Am Ende des Jahres 1903 ist das Spiel vorbei und alle Spieler zählen die Siegpunkte zusammen, die sie über Fundstücke, Ausstellungen und Kongresse erhalten haben. Außerdem bekommt jeder Spieler einen Bonus, der in einem Wissensgebiet die meisten Punkte hat. Derjenige mit den meisten Siegpunkten gewinnt.

"Jenseits von Theben" stand auf der Nominierungsliste für den renommierten Preis Spiel des Jahres 2007, den leider das nette, aber arg konventionelle "Zooloretto" abstaubte. "Theben" wäre ganz klar die bessere Wahl gewesen. Zugegeben, für ein Familienspiel wirkt es auf den ersten Blick überwältigend komplex und ungewöhnlich, aber der Schein trügt. Eigentlich sind die Mechanismen recht simpel, es gibt nur viele kleine Sonderregeln - wie die hier nicht erwähnten Grabungslizenzen, die Kongresse, Assistenten, Autos und so weiter -, die das Regelheft zusammen ein bisschen dicker als nur vier Seiten machen. [imgleft]images/UploadGrafiken/JenseitsTheben3.jpg[/imgleft] Dabei ist das eigentliche Zugsystem wirklich einfach und dabei noch äußerst elegant - Zeit als Währung und Bestimmer der Zugreihenfolge einzusetzen, ist sowohl logisch als auch originell. Denn dieses allmähliche Voranschreiten der Jahre und die Möglichkeit der Hintenstehenden, in nur einem Zug große Coups zu landen, sorgt für das zerknirschte Gefühl, dass der Konkurrent mal wieder einen Tick schneller war als man selbst. Generell wirken all die vielen kleinen Regeln und das große Prinzip des Recherchierens durch Kartensammeln und des Grabens durch Plättchenziehen perfekt zusammen, um ein vollkommen rundes, thematisches Spielgefühl zu schaffen. Die Vorstellung ist perfekt, dass man von Stadt zu Stadt zieht, uralte Bücher durchkämmt und das so gewonnene Wissen - immer im zeitlichen Wettlauf gegen die nicht auf den Kopf gefallene Konkurrenz - bei langwierigen Ausgrabungen einsetzt, bei denen man immer auf das Beste hofft, aber häufig nur Schutt auf die Schaufel bekommt. Die wundervolle Aufmachung des Spiels, die mit schönen Grafiken, hübschen Stoffbeuteln und den eindrucksvollen Chronokeln die recht hohen Anschaffungskosten locker wieder wett macht, hilft dabei ungemein. Man fühlt sich rundum wie ein richtiger Archäologe, der voller Stolz seine durch harte Arbeit ergatterten Fundstücke ausstellt oder schlichtweg grün vor Neid wird, während der Konkurrent einen Schatz nach dem anderen ausgräbt, während man selbst nur im Sand stochert.

Darin wird für einige Spieler vielleicht auch das Problem liegen, denn "Jenseits von Theben" ist schwer glücksbetont. Man kann seine Chancen auf Schätze durch das Ziehen vieler Plättchen zwar erhöhen, aber garantiert ist der große Erfolg einer Ausgrabung nie - vor allem, weil der Schutt immer wieder in den Beutel kommt und die Chance auf Funde dadurch immer geringer wird. Auch ist für eine richtige Strategie kein Platz, man ist meist von den vier Karten abhängig, die während des eigenen Zugs ausliegen und muss seine Spielweise daran anpassen. Da kann man ebenfalls Pech haben, andererseits hat man neben den Ausgrabungen auch andere Möglichkeiten, an Siegpunkte zu kommen. Dennoch, der Sieg ist für einen guten oder erfahrenen Spieler alles andere als sicher, was "Jenseits von Theben" freilich zu einem idealen Familienspiel macht, bei dem auch die jüngeren mal das Rennen machen können. Vor allem hat man aber nach den - zugegeben manchmal ein bisschen langen - 90 Minuten ein thematisch höchst befriedigendes Spiel erleben können. Dann hat unsere Welt auch fast alle ihre großen Geheimnisse endlich preisgegeben.

Julius Kündiger



Brettspiel | Erschienen: 1. März 2007 | Preis: 30 Euro

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