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J. R. R. Tolkien gehört nicht nur zu den wichtigsten Schriftstellern in Großbritannien, er ist auch ein Wegbereiter der Fantasy, wie wir sie heute kennen. Zahllose Autoren haben sich von ihm inspirieren lassen, in vielen Büchern findet man Anleihen aus seinen Werken. Kaum ein anderer Schriftsteller hat ein Genre so geprägt.
Wenn sein Werk auch erst nach Tolkiens Tod richtig gewürdigt wurde, so scheint mit der Verfilmung seines wichtigsten Werkes, "Der Herr der Ringe", erneut eine Welle der Begeisterung aufgebrandet zu sein. Diese macht sich bemerkbar durch Neuveröffentlichungen der bisher bekannten Werke Tolkiens sowie die Zusammentragung und Bearbeitung von Textfragmenten durch seinen Sohn Christopher Tolkien. Im vorliegenden Roman "Die Kinder Húrins" wird der Kenner von Tolkiens Büchern so manchen Namen wiedererkennen können.
Es sind dunkle Zeiten in Mittelerde angebrochen. Morgoth, den die Völker auch unter den Namen "der Schwarze König" oder "der Dunkle Herrscher" kennen, will jeden freien Mann und jeden freien Elben unterjochen. Vielerorts müssen sich die Völker zurückziehen oder ihr Dasein als Sklaven fristen.
Húrin, ein stolzer Recke aus dem Hause Beor, das auch den berühmten Beren hervorbrachte, zieht gegen Morgoth ins Feld, wird jedoch von diesem gefangen genommen und samt seiner Familie verflucht. Seine schwangere Gemahlin Morwen und sein Sohn Túrin bleiben zurück; doch aus Angst vor den weit reichenden Armen des Dunklen Herrschers schickt Morwen ihren geliebten Sohn zu den Elben, die den Nachkommen des tapferen und verehrten Húrin beschützen sollen.
Das Schicksal aber hat etwas anderes mit Túrin vor. Der langsam zum Mann gereifte Sohn Húrins muss sich so mancher Gefahr stellen und so manche schwere Entscheidung treffen. Die Erlebnisse lassen ihn wachsen, aber auch verbittern; er wird hart und stolz. Als Morgoth ihm mit dem Drachen Glaurung zusammen eine Falle stellt, scheint es, als würde Túrin seine Mutter Morwen und seine jüngere Schwester Nienor niemals wieder sehen
Einige der Begebenheiten des Romans "Die Kinder Húrins" wurden bereits in anderen Werken Tolkiens erwähnt, manchmal so beiläufig, dass erst nochmaliges Lesen die Zusammenhänge deutlich und klar werden lässt. Eine in sich geschlossene und komplexe Welt zu erschaffen, ist ein anspruchsvolles und schwieriges Unterfangen - und Tolkien erweist sich als Meister darin.
Túrins Geschichte und die seiner Familie wird in dem für Tolkien typischen Stil erzählt; eine solch anspruchsvolle, gediegene Sprache, die sich stark an der Ausdrucksweise in Sagen und Legenden orientiert, liest man selten in der heutigen, schnelllebigen Zeit. Allerdings dürften mit Tolkien vertraute Leser höchstens auf den ersten vielleicht dreißig Seiten ein paar Schwierigkeiten mit den zahlreichen Namen und Orten haben; nach diesem zähen Einstieg entwickelt sich eine flüssige, stets anspruchsvolle Erzählung, durch die man wie von selbst einmal mehr in Tolkiens fantastische Welt eintaucht.
Das Buch bietet eine wahre Fundgrube an zusätzlichen Informationen, die mit der Geschichte selbst in diesem Buch angesammelt sind. Neben der schwermütigen, in typischem Stil Tolkiens verfassten Handlung kann sich der Leser an wunderschönen Illustrationen erfreuen; sowohl farbige als auch Zeichnungen in Schwarzweiß haben ihren Weg zwischen die Buchdeckel gefunden.
Vor der eigentlichen Geschichte erwarten den Leser ein Vorwort Christopher Tolkiens, eine Einführung, die dem Leser das Erste Zeitalter Mittelerdes näher bringt, und Anmerkungen zur Aussprache der fantastischen Namen. Noch beeindruckender ist der Anhang: Allein dieser macht über fünfzig Seiten des Buches aus und enthält Stammbäume der im Roman vorkommenden Charaktere, weiteres Hintergrundwissen sowie eine unabdingbare Liste mit Namen, Orten und mehr zum Nachschlagen.
Ein Lesezeichen und eine Landkarte zum Aufklappen am Ende des Buches runden das ohnehin schon tolle Buch würdig ab.
Leser, die schon von dem "Herrn der Ringe" begeistert waren, werden ihre helle Freude an diesem exzellent gestalteten Buch haben. Sowohl die legendenhaft erzählte Geschichte über den Helden Túrin als auch die Aufmachung und die weiteren Informationen überzeugen auf ganzer Linie. Tolkien wäre mit Sicherheit ebenfalls mit der Arbeit seines Sohnes mehr als zufrieden.