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 Elfriede Jelinek

Ein Porträt


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Bildqualität
Preis - Leistungs - Verhältnis


Neulich, in einer Unterhaltung, sagte ein Mensch - ungefähr - zu mir: "Diese Jelinek, die macht doch nur auf Porno, um zu verkaufen. In Wirklichkeit ist das nur eine selbstgefällige, gefühlskalte Emanze." Dieses Bild dürfte so geläufig sein, wie dasjenige Goethes als literarisches Genie. Damit einher geht eine tiefe Unkenntnis.
Wer also ist Elfriede Jelinek? Verena Mayer und Roland Koberg haben nachgestöbert und Überraschendes, Wundervolles, Seltsames zu Tage befördert. Geboren am 20. Oktober 1946 in Wien, Tochter einer (fast) studierten Österreicherin und eines halbjüdischen Chemikers; von der Mutter zur Musik gedrillt, vom stillen Vater in den Wortwitz eingeführt, in der Pubertät erkrankt und als psychisch labil diagnostiziert; die Wende, als sie zu schreiben anfing.
Es lohnt sich aber kaum, dieses Buch nachzuerzählen, geschweige denn zusammenzufassen. Viel mehr möchte ich das Buch selbst empfehlen, für alle, die auf Elfriede Jelinek neugierig sind, und für alle, die einen langweiligen Nachmittag vertreiben wollen. Denn neben allem Wissenswerten ist das Buch vor allem eines: spannend. Man lernt hier eine Dichterin kennen, die als Bürgerschreck gilt, und die doch aus ihrer Liebe und aus ihrer Sympathie für Menschen genau eine solche Literatur schreibt, die jegliche Gewalt in Beziehungen schonungslos darstellt. Man lernt eine Dichterin kennen, die Dallas von der ersten bis zur letzten Folge gesehen hat, später die Simpsons; und aus all diesen Einflüssen lernt, ja ihnen huldigt, indem sie sie aufnimmt und umarbeitet. Wie das Leben von Elfriede Jelinek, so ihr poetologisches Handwerkszeug: aufbrechen, zusammenfügen, mit aller Schärfe, allem schwarzen Humor und aller Leidenschaft. Die Autoren des Dichter-Portraits zeichnen diesen Weg auf. Spannend, in klarer Sprache - und selbst mit viel Witz; fast, als hätte die Dichterin Jelinek hier mitgeschrieben, oder zumindest ein ums andere mal souffliert. Dabei bleiben Mayer und Koberg bei aller Sympathie auf Distanz.
Neben Jelinek selbst, die Rede und Antwort stand, werden Zeitgenossen und Weggefährten befragt, werden immer wieder Werke der Dichterin, Werke von bewunderten Autoren zitiert. In die Biografie flicht sich nahtlos die Werkgeschichte bis hin zum Jahr, in dem Jelinek den Nobelpreis erhielt; ebenso wird die Zeitgeschichte eingewoben, Ein- und Austritt aus der Kommunistischen Partei, Kommunenerfahrung in den Siebzigern, Theaterereignisse in den Neunzigern.
Liebevoll, distanziert, dramatisch, humorvoll - umfassend recherchiert, sprachlich elegant dargeboten. Ein seltenes Buch also, ein unbedingt empfehlenswertes Buch. Und jenen Menschen, den ich neulich - vor der Lektüre dieses Buchs - traf, sollte man es an den Kopf schmeißen. Soviel (Buch-)Gewalt sei erlaubt.

Frederik Weitz



Taschenbuch | Erschienen: 01. September 2007 | ISBN: 9783499620997 | Preis: 9,90 Euro | 318 Seiten | Sprache: Deutsch

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