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Das Musical ist eine Kunstform, der manche Vertreter des Feuilletons sogar jeglichen künstlerischen Anspruch verwehren. Dennoch und wahrscheinlich auch deswegen ist das Musical momentan die einzige theatrale Form, die in größerem Rahmen ohne Subvention auskommen kann. Im europäischen Raum hat das Musical einen seiner Vorläufer, die Operette, quasi abgelöst und da die Oper sich von den größeren Zuschauerschichten freiwillig entfernt hat, konnte das Musical als populäres Musiktheater in die Bresche springen. Thomas Siedhoff hat ein "Handbuch des Musicals" zusammengetragen, in dem er wirklich alle erwähnt, die man nach der einen oder anderen Definition Musical nennen kann.
Nach einem sehr guten, nur manchmal etwas trockenen, Essay über das Musical an sich stürzt sich das Handbuch in die Vollen. Von "42nd Street" über A wie "The Act" nach E wie "Elisabeth", von I wie "I do! I do!" über R wie das wunderbare "Ragtime" bis Z wie "Zorba". 626 Seiten voll Musicals von den Dauerbrennern - "West Side Story" oder "Anatevka" - über die Webber-Stücke - "Cats" oder "Phantom der Oper" - bis zu den aktuelleren Bühnenwerken - wie eben "Ragtime" oder "The Producers" - aber neben den ganzen bekannten Stücken gibt es auch die Flops und unbekannten Stücke des Genres zu lesen. Schon mal was von "Millionen für Penny" oder "Hello Again" gehört?
Jedes Musical ist mit so ziemlich allen Informationen erwähnt, die man sich denken kann. Das fängt mit den Machern an, geht über die ersten Regisseure zu den Daten von Try-Outs und Premiere. Dann gibt es natürlich alle Musiktitel und den Inhalt - und das Wichtigste, einen Kommentar, der das Stück einordnet, gern auch mal kritisiert oder lobt, der einen grundsätzlichen Überblick gibt.
Am Ende des Handbuchs steht ein umfangreiches Glossar der Fachbegriffe, eine Zeitleiste und natürlich alle vorstellbaren möglichen Register.
So umfang- und kenntnisreich ist dieses Buch ein wahrer Schatz - natürlich nicht für den normalen Musicalzuschauer, denn der braucht nur einen kleinen Teil der Informationen, sondern vor allem für Leute vom Fach, für Musicalmacher, -darsteller und -dramaturgen. Dass auch die Rechteinhaber immer erwähnt sind, ist da nur eines von vielen kleinen Details, die dieses Buch so wertvoll machen. Die Inhalte sind zumeist gut verständlich, die Kommentare klug und gut lesbar. Dass Thomas Siedhoff ungeheuer viel weiß, ist nicht fraglich, dass er seine Leser daran teilhaben lässt, ist eine gute Sache, und dass er dann auch manchmal ein paar Längen hat, was solls.
Nein, das ist kein Musicalführer, den jeder im Haus haben sollte, der einmal im Jahr ins Theater geht, dieses Handbuch ist ein Fachbuch für Menschen im Metier und natürlich für die großen Fans, die eben auch wissen wollen, ob die Rolle des Andrew Carnes in "Oklahoma!" für Bass oder Tenor geschrieben ist und welche Orchesterbesetzung man üblicherweise dafür braucht.