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 Shadowrun-Kompendium

Dritte Edition


Cover
Gesamt +++++
Anspruch
Aufmachung
Leitbarkeit
Preis - Leistungs - Verhältnis


Bei einem System, das neben einem sehr umfangreichen Grundregelwerk auch über eine Vielzahl an Quellenbänden mit weiterführenden Informationen verfügt, stellt sich vielleicht die Frage, was genau einem wohl ein 136 Seiten umfassendes Kompendium bieten soll. Die Rückseite verrät etwas von erweiterten Regeln für Spieler, genaueren Regeln für Spielleiter und neuen Kampagnen, aber was genau heißt das und: Nützt es denn auch?

Die Entwickler Michael Mulvihill und Robert Boyle, die im Fall dieses Buches von Manfred Sanders, Mario Hirdes und Frank Werschke übersetzt wurden, haben sich in der Tat eine Menge Gedanken gemacht, als sie die Inhalte dieses Buches der dritten Edition zusammenstellten.

Das erste Kapitel widmet sich der Charaktererschaffung und beginnt mit einigen Hinweisen zum Hintergrund eines Charakters, der selbigen lebendiger gestalten soll. Um eine gewisse Tiefe dabei zu erreichen, werden zwanzig Fragen aufgelistet, deren Beantwortung dem Spieler erleichtern soll, sich in den Charakter hinein zu versetzen.
Als nächstes wird ein völlig neues Konzept vorgestellt, mit dem Charaktere erschaffen werden können, und zwar geht dieses System nicht wie bisher von Prioritäten aus, die es zu verteilen gilt, sondern von Punkten. Dieses neue System bietet eine Vielzahl neuer Möglichkeiten, denn es vereinfacht den Einsatz von Gaben und Handicaps für den Charakter, die Verwendung metamenschlicher Varianten, vor allem aber bietet das neue Aufbaupunktesystem aber auch viel mehr Flexibilität. Wo zuvor manches Mal einiges an Rechnerei und Überlegung notwendig war, um das eher starre System der Prioritätenverteilung zu verändern, ist das neue System gerade für flexible Handhabung sehr gut geeignet. Grundsätzlich haben Charaktere 123 Punkte zur Verfügung, mit denen sie aufgebaut werden können, es ist aber ein leichtes Unterfangen, diese Zahl einfach beliebig anzupassen. So werden auch mit neuen Charakteren bei Bedarf problemlos starke Profi-Charaktere möglich, verstorbene Charaktere innerhalb von Kampagnen können viel leichter durch nachrückende Neulinge mit einigen Punkten mehr (was zu guter letzt auch den Verlust eines Charakters etwas leichter macht) ersetzt werden, ohne das gesamte Team in ein Ungleichgewicht zu rücken und zuletzt ist es natürlich auch möglich, Charaktere mit deutlich weniger Punkten zu erschaffen, wodurch so genannte LowTech-Kampagnen, aber auch das Spielen von Nicht-Runnern oder die Umsetzung anderer Ideen viel leichter fällt. Zu guter letzt kann man natürlich auch generell hohen Anteilen an metamenschlichen Rassen und Magiern, die beide ja an sich selten sein sollten, sich aber oft großer Beliebtheit erfreuen und daher nicht selten unproportional häufig vorkommen, mit wenigen zugeteilten Punkten ein Schnippchen schlagen.
Nach der Erläuterung des neuen Systems werden Gaben und Handicaps, also Vor- und Nachteile für Charaktere, aus den Bereichen der Attribute, Fertigkeiten, Magie, Matrix, körperliche, geistige, soziale und sonstige vorgestellt, deren Verwendung sich mit dem neuen System anbietet, die aber auch unabhängig davon natürlich mit dem bisherigen Prioritätensystem verwendet werden können.
Als neue Charaktertypen werden Ghule, sieben verschiedene Gestaltwandler-Spezies und insgesamt vierzehn metamenschliche Varianten von der Dryade bis hin zum Zyklopen vorgestellt, die ebenfalls auch mit dem Prioritätensystem verwendbar sind, allerdings nicht ganz so stimmig wie Gaben und Handicaps.

Das zweite Buchkapitel, Fertigkeiten und Ausbildung richtet sich in erster Linie an Spielleiter. Hier werden Regeln zur Athletik, dem Klettern, Springen, Schwimmen, aber auch Besonderheiten dazu wie etwa Erschöpfung oder Wassertreten, erklärt.
Es folgen optionale Regeln zur Ausbildung, die sich vor allem mit der Zeit, die Steigerungen oder neue Fertigkeiten und Zauber benötigen, befasst. Zeit kostet bekanntlich Geld, und auch dieses ist Thema dieses Kapitels, ebenso wie weitere Regeln zur Verwendung von Lehrern, deren Kosten und die täglich maximale zum Lernen aufwendbare Zeit eines Charakters.

Das dritte Kapitel, Wie man einen Shadowrunner anheuert, passt meiner Meinung nach nicht so ganz in dieses Buch. Aus Sicht von William T. Ager wird hier eine Anleitung für Mr Johnsons gegeben, die beschreibt, wie genau das Aufgabenfeld eines Mr Johnson aussieht, welche Möglichkeiten er hat, mit welchen Gestalten er Umgang pflegt und womit er bei diesen Runnern zu rechnen hat, wie seine Verhandlungsbasis aussieht und zuletzt auch, in welchem Maße Runner als ersetzbare Einheiten gelten.
Dieser Text ist zwar interessant zu lesen und fängt die Ansichten eines Konzerns beziehungsweise eines Johnsons gut ein, jedoch bringt er nicht wirklich neue Erkenntnisse und somit weder Spielern noch Spielleitern wirklich wichtige oder neue Informationen.

Connections und Feinde hingegen ist wieder ein sehr interessantes Kapitel, das diese beiden wichtigen und häufig genutzten Aspekte des Spiels von einer eher abstrakten Verwendung weg bringen.
Zunächst werden Regeln zur Kontaktpflege gelistet, mit deren Hilfe Connections erhalten bleiben, vielleicht sogar irgendwann ansteigen, mit Sicherheit jedoch nach längerem Ignorieren eine Stufe sinken. Spezielle Connections werden vorgestellt, etwa aus den Bereichen Shadowland oder Schieber. Ebenfalls neu sind auch die Möglichkeiten, den Freund eines Freundes um Hilfe zu bitten. Im Klartext heißt das, dass nicht nur Spielercharaktere Verbindungen haben, sondern diese Connections wiederum über ein kleines Netzwerk an Freunden oder Bekannten verfügt. Mit dem in diesem Band vorgestellten Möglichkeiten ist es fortan also durchaus denkbar, dass seltener gebrauchte oder schlichtweg in der aktuellen Gruppe nicht vorkommende Connections als solche Freunde eines Freundes ins Spiel gebracht werden können. Der letzte Teil zu diesem kleinen Netzwerk, über das die Runner verfügen, befasst sich mit dem Wissen von Connections, ihren Möglichkeiten und auch ihrer generellen Bereitschaft, Informationen weiter zu geben.
Feinde hingegen können mit Hilfe dieses Kapitels ebenfalls erschaffen werden. Hierzu wird ein einfaches System, das Feinde in die Charakteristika Macht, Motivation und Wissen einteilt, vorgestellt, das ich allerdings für unbefriedigend halte. Natürlich ist ein unausgereiftes System zumeist besser als gar keines, allerdings bietet es an dieser Stelle zwar Möglichkeiten und zeigt Potential, aber ebenso viele Lücken, die leicht zu Verwirrung führen können.
Schließlich werden noch neue Connections aus den Bereichen Medien, Konzern, Regierung, Straße und Unterwelt, insgesamt dreizehn Stück, aufgelistet.

Das Kapitel über Erweiterte Regeln beginnt mit dem häufigen Diskussionspunkt des Gleichgewichts zwischen Karma und Geld. Während eher auf Cybertechnologie ausgelegte Charaktere Wert auf Bezahlung legen, ist vor allem für magisch aktive Charaktere das Karma am wichtigsten. Hier einen Ausgleich zu bieten ist nicht immer einfach, weshalb das erweiterte Regelkonzept vorgestellt wird, mit dessen Hilfe gegen entsprechende Auflagen Cash gegen Karma und umgekehrt getauscht werden kann. Weitere das Karma betreffende Punkte dieses Kapitels sind Teamkarma, das Einbringen von Gunst und Schuld, abgestufte und begrenzte Pools zur Erschwernis, der Einsatz von NSC-Pools und daraus überleitend der Einsatz und die Entwicklung von Top-Runnern als Spielergegner.
Die Regeln des SOTA (State of the Art) werden ebenfalls in diesem Buch erläutert und sorgen dafür, dass Geld nicht wirklich angehäuft werden kann, sondern sogleich wieder dafür ausgegeben werden muss, die ganzen Implantate, Cyberware und anderes auf dem neuesten Stand zu halten. Diese Zusatzregeln sind interessant und bieten angenehm realistische Elemente, sind allerdings auch im Hinblick auf das zuvor angesprochene Gleichgewicht wieder mit Vorsicht zu genießen und einzusetzen.
Tatsächlich ist auch der mögliche Ruhestand eines Charakters in diesem Kapitel ein Thema, neue Sicherheitssysteme wie Lichtschranken oder Chemodetektoren werden vorgestellt und zuletzt wird noch einmal auf DocWagon-Verträge eingegangen, wobei hier zum einen Informationen aus dem Grundregelwerk wiederholt werden, mit einzurechnenden Reaktionszeiten etwa und dem Umfang des Themas ist es trotzdem als sinnvolle Ergänzung zu sehen.

Die Spielleitung bildet das vorletzte Kapitel des Buches und richtet sich, wie der Titel schon vermuten lässt, an Spielleiter. Hierbei sind aber wohl eher neuere Spielleiter angesprochen, denn in erster Linie behandelt dieses Kapitel die Rolle des Spielleiters, Regeln für erfolgreiche Abenteuer, der Entwurf von Abenteuern und Kampagnen und stellt zuletzt Lösungen für weit verbreitete Probleme wie Powergaming, Ungleichgewicht innerhalb der Gruppe oder unausstehliche Charaktere vor.
Für neue Spielleiter bietet dieses Kapitel wie bereits erwähnt sicherlich viele Hilfen und nützliche Tipps, für alt eingesessene Spieler und Spielleiter findet sich wenig Neues auf diesen Seiten. Vor allem aber die vorgestellten Problemlösungen sind mit Vorsicht zu genießen, denn sie lesen sich zwar ganz toll, haben in der Regel aber wenig mit der gängigen Praxis zu tun und berücksichtigen wenig bis gar nicht den Punkt, dass das Hauptproblem bei Spielproblemen nicht in den Komplikationen selbst liegt, sondern vielmehr darin, dass man mit den Spielern befreundet ist und zwar ein stimmiges Spiel erleben möchte, jedoch nicht durch das Herausholen einer Keule oder ähnlichem einen Freund vergraulen möchte. Allheilmittel bekommt man mit diesem Kapitelabschnitt gerade in dieser Hinsicht nämlich natürlich nicht.

Das nunmehr letzte Kapitel stellt mögliche Alternative Kampagnenkonzepte vor. Statt den üblichen Runnern wird hier gezeigt, dass Shadowrun auch als DocWagon-Einsatztruppe, Medienkampagne, Special Forces, sogar auf Seiten des Gesetzes oder ausschließlich mit Magiern oder Gangern funktionieren kann, und wo es nötig ist, da finden sich auch zusätzliche Regeln zum Umsetzen.
Hier werden Ideen aufgegriffen und vorgestellt, die vor allem, nachdem man nun über das deutlich flexiblere Aufbaupunktesystem verfügt, interessant sind.

Insgesamt sollte man dieses Buch unbedingt kaufen, denn sowohl Spieler als auch Spielleiter profitieren davon. Lohnenswert ist der Kauf schon allein wegen des Kapitels zur Charaktererschaffung, aber auch die Zusatzregeln sind weitgehend sinnvoll, Connections und Feinde werden zu sehr viel lebendigeren Figuren mit den Zusatzinformationen dieses Buches und zu guter letzt werden gerade neue Spielleiter des Systems auch sicherlich dankbar für die speziell an sie gerichteten Tipps sein.

Mit freundlicher Unterstützung von Fantasy Productions GmbH,
www.fanpro.com und www.f-shop.de

Tanja Elskamp



Softcover | Erschienen: 01. Januar 2001 | ISBN: 3890647510 | Preis: 9,95 Euro | 136 Seiten | Sprache: deutsch

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