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Die Oberste Priesterin Arhe ist außer sich. Sie hat in den heiligen unterirdischen Hallen der Dunklen Götter einen Mann angetroffen. Und dieser Mann hat es gewagt, in der ewigen Dunkelheit ein Licht zu entzünden. Doch die Rache der Götter wird furchtbar sein. Geistesgegenwärtig hat sie den Mann eingesperrt. Nun ist sie seiner gewiss.
Doch irgendetwas an diesem Fremden verstört sie. Seine innere Ruhe, seine gleichgültige, fast überlegen wirkende Haltung. Er ist anders als alles, was Arhe je für möglich gehalten hat. Mit sechs Jahren wurde sie zur Obersten Priesterin auf den Gräberfeldern von Atuan, einer der vier Kargish-Inseln. Pflicht und Dienst an den Göttern beherrschen seitdem ihr Leben. Doch wider Willen beginnt Arhe nachzudenken. Wie lautet ihr wahrer Name? Ist sie Priesterin oder Sklavin? Was will dieser Fremde? Will der das Bruchstück des heiligen Rings von Erreth-Akbe? Was vermag dieser seltsame Mann damit in der Welt zu tun? Gibt es ihre Götter oder ist sie wie die sie führenden Priesterinnen dem Wahnsinn verfallen? Sind die Gräber von Atuan wirklich die Nahtstelle zwischen den Göttern und den Menschen?
Arhe wagt das Undenkbare, sie beginnt mit dem Fremden zu reden. Und Ged, wie der Mann sich nennt, ist überzeugend. Sehr überzeugend. Arhe, die dieser Fremde Tenar nennt, der von ihr vergessene wahre Namen, beginnt ihm zu vertrauen. Doch soll sie ihm wirklich helfen, aus den Gräbern zu entkommen?
Nach dem 1968 erschienen ersten Band "A Wizard of Earthsea", folgte 1970 "The Tombs of Atuan. Der zweite Teil der Erdsee-Trilogie (eine Rezension des ersten Bandes finden sie
hier) überrascht die Leser, die eine Fortsetzung der Abenteuer Sperbers erwartet haben. Mehr als ein Drittel des Romans weiß man nicht einmal genau, ob man sich auf der Erdsee-Welt befindet. Die Priesterin Arhe ist Gegenstand langwieriger, nicht immer spannender oder interessanter Betrachtung. Anstatt eine Fantasy-Welt zu erleben, wird die innere Befindlichkeit einer Frau beleuchtet, die kein Ich entwickeln darf, die Dienerin, ja, Sklavin zu sein hat. Der schwierige, schmerzhafte Prozess der Ichwerdung, der Bewusstwerdung eines Menschen ohne Vergangenheit oder Zukunft wird eingehend seziert. Erst wenn sich Ged, der Erzmagier der Erdsee, in diesen Prozess "einmischt", wird es interessant.
Diese männliche Perspektive, die klare Führungsrolle des Männlichen und die untergeordnete, fast sklavische Haltung der Frau muss man zwar kritisieren, doch wie es der Autorin gelingt, allein durch die Beziehung zwischen Ged und Arhe einen Roman zu konzipieren, den man am Ende als Meisterwerk preist, ist absolut lesenswert. Als Monolog beginnend, gelingt es im Dialog des zweiten Teils des Buches, die Fans der Erdsee wieder zu versöhnen. Die Mechanismen der Welt, die Strukturen der Magie werden im Gegensatz zum ersten Roman der Trilogie deutlicher.
Wäre nicht der zähe Beginn und die sehr passive Rolle der Arhe, der Roman hätte "Der Magier der Erdsee" übertroffen. Dennoch, für Fantasy-Fans und Leser, die eher literarische denn actiongeladene Bücher mögen, ist "Die Gräber von Atuan" eine sichere Empfehlung.
Wer den Roman erwerben will, findet ihn zur Zeit nur im Sammelband "Erdsee" (ISBN-13: 978-3492285230).