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Kellnerin Agnes lebt in einem Motel mitten im US-amerikanischen Niemandsland mit Drogen und Alkohol so vor sich hin, seit ihr Sohn verschollen ist und ihr Ex Jerry im Knast gelandet ist. Sie gibt vor, mit diesem tristen Leben zufrieden sein, aber als ihre Freundin R.C. ihr den schüchternen Peter vorstellt, merkt sie, dass ihr doch etwas gefehlt hat. Er ist das genaue Gegenteil vom brutalen, selbstverliebten Jerry: höflich, entgegenkommend, nicht triebgesteuert und nicht dominant. Mit ihm lässt sie sich gerne ein. Und es stellt sich heraus, dass sich hier zwei gefunden haben, die sehr gut zusammen passen.
Golfkriegsveteran Peter hat einen Tick: Er sieht überall Insekten, auf dem Bettlaken, in der Luft, in Agnes? Haaren ... Die hält das erst für Spinnerei, aber nachdem sie miteinander geschlafen haben, nimmt sie die Viecher plötzlich auch wahr. Als Jerry, frisch aus dem Knast entlassen, in Agnes? Wohnung platzt, um sich dort wieder breitzumachen, findet er dort Insektenspray, Insektenfallen und Peter am Mikroskop vor. Er und R.C. versuchen, Agnes diesen Unsinn auszureden, aber die Szene eskaliert, denn Agnes und Peter sind längst in ihrer Paranoia gefangen, denn für sie ist klar: Die Insekten sind Teil einer großen Weltverschwörung und jeder, der sie verleugnet, ist ein Mitwisser. Die beiden spinnen diesen Faden immer weiter bis in die tiefsten Abgründe paranoider Wahnvorstellungen ...
Zunächst einmal: Das Zitat auf dem Cover aus dem Boston Herald, dies sei einer der verstörendsten Horrorfilme, die man sich vorstellen könne, ist reiner Etikettenschwindel. Die Grenze zwischen Horrorfilm und Psychothriller mag dünn sein, aber sie ist da, und "Bug" ist doch recht eindeutig letzteres. Auch die andere Aussage auf dem Cover, dies sei wahrscheinlich William Friedkins bester Film, ist eine Ohrfeige für "Der Exorzist" und "French Connection", gegen die "Bug" beim besten Willen nicht ankommt. Der Kinotrailer, der auch auf der Disc enthalten ist, führt hier noch weiter in die Irre, denn dort sind alle krassen Szenen inklusive des Finales zu sehen, was durchaus den Eindruck eines Horrorfilms erweckt - deshalb sollte man ihn auf keinen Fall vor dem Film sehen. Horrorfans werden sehr enttäuscht sein, daran ändern auch eine Selbstverstümmelungsszene und ein brutaler Mord nichts. Und abgebrühte Fans von Horrorfilmen und Psychothrillern werden diesen Film auch bei Weitem nicht so verstörend finden.
"Bug", nach dem gleichnamigen Theaterstück von Tracy Letts, der auch das Drehbuch schrieb, ist Paranoia-Kammerspiel und Charakterstudie mit einer in sich schlüssigen Weltverschwörungstheorie. Der Film lässt sich langsam an, gibt dem Zuschauer fragmentarisch Einblicke in Agnes? Welt und lange Zeit hat man eher das Gefühl, ein amerikanisches Sozialdrama zu sehen. Friedkin lässt sich hier viel Zeit, was an den Exorzisten erinnert, lässt Agnes Schritt für Schritt immer tiefer in Peters Wahnvorstellungen versinken, baut eine Spannung auf, die aber nicht überdramatisiert wird und beim in diesem Genre halbwegs erprobten Zuschauer keinen Angstschweiß hervorruft. Als solcher bleibt man immer in der Beobachterposition, was verstärkt wird durch die immer kontrollierte, nie sonderlich hektische Handkameraarbeit, wird nur an wenigen Stellen wirklich mitgerissen und bleibt deshalb von der absurden Weltverschwörungstheorie auch eher unbeeindruckt. Wer kein Blut sehen kann, sollte von "Bug" Abstand nehmen, aber auch da gibt es krassere Filme.
Die Schauspieler überzeugen in ihren Rollen, allen voran Ashley Judd als Agnes. Durch ihr Spiel wird ihr Abdriften in Peters Weltanschauung sehr glaubhaft dargestellt, gleichzeitig kommt kaum Mitleid für diese heruntergekommene Figur auf. Michael Shannon ist als Peter großartig, kommt anfangs fast wie Norman Bates daher und schafft mit lange Zeit minimaler Mimik einen interessanten Charakter, dessen Abgründigkeit sich erst in der letzten halben Stunde wirklich entlädt.
Neben dem Trailer ist auf der Blu-Ray-Disc ein Making Of zum Film zu sehen, das einen netten Einblick in die Setarbeit bietet und auch hilft, Verständnisschwierigkeiten zu beseitigen, die sich nach dem Film einstellen könnten. Darüber hinaus kann man sich ein Interview mit William Friedkin über seine Arbeit als Regisseur in den letzten dreißig Jahren anschauen, das zum einen sehr langatmig ist - glücklich, wer das Interview schneller ablaufen lassen kann -, zum anderen auf "Bug" nur in einem Satz Bezug nimmt und darüber hinaus mit deutschen Untertiteln aufwartet, die eine sehr dürftige Übersetzung bieten - wer würde denn Orson Welles? "Citizen Kane" mit "Bürger Kane" übersetzen? Außerdem kann man sich den Film mit Audiokommentar von Friedkin anschauen. Man stelle sich das so vor: Man sieht etwa Agnes, die auf dem Bett liegt, und Friedkin sagt sinngemäß "hier liegt Agnes auf dem Bett". Große Erkenntnisse zieht man daraus nicht, die kleine Szene, die in den Abspann noch eingefügt wurde, erklärt er auch nicht, dazu die elend langweilige Stimme des Regisseurs, so einen Kommentar braucht man nicht.
Sollte man diesen Film unbedingt auf Blu-Ray haben? Nein. Für halb so viel Geld bekommt man die DVD mit gleichem Inhalt in einer schmucken Softbox im veredelten Silberfolien-Stülper und bei diesem Film kommt es nicht unbedingt auf gestochen scharfe Bilder an. Freunde des 1080p-High-Definition-Bildes werden da sicher widersprechen, aber der Film hat schlichtweg zu wenig Effekte zu bieten, die durch eine hohe Auflösung noch toller wirken, und es ist auch kein Effekt-, sondern ein Charakterfilm.
Auf der Bühne wirkt das Stück vermutlich besser als auf der Leinwand oder dem Fernseher, wo man schon krassere Filme gesehen hat. Interessant ist der Film dennoch, aber auch ein wenig ermüdend langatmig, und dass Horror draufsteht, wo keiner drin ist, muss man der Vermarktung des Films übel nehmen. Immerhin: Die FSK-Freigabe ab 16 Jahren ist gerechtfertigt, wenn auch hart an der Grenze.