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William Shakespeare: Er war nicht nur ein Schriftsteller, der mit seinen Dramen und Sonetten die Weltliteratur nachhaltig beeinflusste und wohl wie kein anderer Autor seiner Zeit voraus war. Shakespeare ist bis heute in vielen Bereichen ein Mysterium geblieben - durch seine Werke, die noch heute von Gelehrten in aller Welt kontrovers diskutiert werden und erst recht als Person, die die Wissenschaft nie greifbar und stimmig charakterisieren konnte. Viele Legenden ranken sich um den Mann aus Stratford, den vielleicht ersten Starautor der Literaturgeschichte überhaupt. Doch die Shakespeare-Forschung schläft nicht. Seit vielen Jahren ein Klassiker der wissenschaftlichen Untersuchung des Schriftstellers ist das "Shakespeare-Handbuch", herausgegeben von Ina Schabert. Mittlerweile in der 4. Auflage erschienen, bleibt es als Standardwerk unübertroffen.
Der Untertitel fasst das Anliegen des Buches zusammen: "Die Zeit - Der Mensch - Das Werk - Die Nachwelt". Auf knapp 1000 Seiten beschäftigen sich die Größen der Shakespeare-Forschung unter Schaberts Schirmherrschaft mit den relevanten Aspekten, die für eine umfassende Betrachtung des Autors nötig erscheinen.
Die ersten 100 Seiten behandeln die Zeit, in der Shakespeare lebte und schrieb: Hier finden sich unerlässliche Informationen über die Gegebenheiten, von denen Schriftsteller im Elisabethanischen Zeitalter beeinflusst wurden und über das Theater, für das die Autoren in erster Linie schrieben. Auch das Weltbild dieser Zeit, das ganz anders aufgebaut war als unsere heutige Sicht der Dinge, verschafft dem interessierten Leser ein Wissen, mit dem sich Shakespeares Werke aus einer anderen, vielleicht treffenderen Perspektive betrachten lassen.
Auf den nächsten 100 Seiten wird die Persönlichkeit Shakespeares minutiös in zahlreichen Facetten analysiert. Die besondere Schwierigkeit diesbezüglich besteht vor allem darin, dass viele wichtige Hinweise und Dokumente im Laufe der Jahrhunderte verloren gingen und heute nicht mehr verfügbar sind. Somit muss dieser Abschnitt in mancher Hinsicht ungenau bleiben, was jedoch natürlich nicht an mangelnder Recherche der Autoren, sondern an den ungünstigen Umständen liegt.
Im längsten Abschnitt des Buches wird anschließend das Werk Shakespeares beschrieben und erklärt. Von einer generellen Einführung über das Theater der Zeit und bestehende Konventionen geht das "Shakespeare-Handbuch" zu einer Betrachtung der einzelnen Dramen, Sonetten und Epen über, die in Umfang und Präzision ihresgleichen sucht. Kein Student, der sich intensiv mit Shakespeare beschäftigt, wird auf diese Informationen hinsichtlich der Editionsgeschichte, der wichtigsten Charaktere und der Dramenkonzeption verzichten können.
Der letzte, wohl nur für Experten interessante Teil beschäftigt sich mit der Wirkungs- und Rezeptionsgeschichte Shakespeares. Darin wird in schier unglaublicher, wenn auch zuweilen ermüdender Genauigkeit auf die Art und Weise eingegangen, wie spätere Generationen vom 17. Jahrhundert bis heute Shakespeares Werke verstanden, behandelten und in andere Kunstformen überführten. Von musikalischen Transformationen über Neuinterpretationen am Theater bis hin zu den modernen Verfilmungen zum Beispiel von "Romeo und Julia" werden hier alle erdenklichen Kulturkreise und Medien einbezogen.
Stilistisch liest sich das "Shakespeare-Handbuch" flüssig und auch für interessierte Laien verständlich. Trotz hohen wissenschaftlichen Anspruchs sind die Formulierungen weitgehend einfach gehalten und nicht übertrieben kompliziert verpackt. Gelungen ist auch die Struktur des Buches, die den Leser von den Grundlagen der Zeit zu den thematisch speziellen Besprechungen der Einzelwerke führt. Der Umfang des Buches ist sehr groß, die Materialfülle gigantisch. Somit werden wohl nur Shakespeare-Forscher die ganze Breite des Handbuchs zu schätzen wissen, während Studenten und Laien sich auf für sie interessante Teilbereiche beschränken werden.
Fazit: Das "Shakespeare-Handbuch" ist ein verständlich geschriebenes, gut durchdachtes, umfassendes und beeindruckend präzises Werk, nach dessen Lektüre wohl kaum noch Fragen zu Shakespeare offen bleiben dürften. Für den Gelegenheitsleser in Teilen sicher zu speziell, für Studenten jedoch eine unverzichtbare Hilfe und schier unerschöpfliche Fundgrube.