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 Hexenkind

Autoren: Sabine Thiesler
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt ++---
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Sabine Thieslers erster Roman "Kindersammler" wurde von vielen Stellen gelobt, dementsprechend viel erhofften sich die meisten Leser auch von ihrem zweiten Krimi "Hexenkind". Die Handlung beginnt zunächst recht viel versprechend:

In einem kleinen Häuschen in einem Wald in der Toskana wird die furchtbar zugerichtete Leiche der Deutschen Sarah gefunden. Seit Jahren lebte Sarah gemeinsam mit Romano, einem Restaurantbesitzer, in Italien, war im Dorf allseits bekannt und zumeist beliebt. Wodurch hat sie so ein Schicksal erlitten?
Die Geschichte, die Sabine Thiesler erzählt, beginnt über zwanzig Jahre früher in Deutschland.
Sarah, junge Studentin und Mutter, flieht vor ihrem gewalttätigen Freund Franky in die Wohnung - und in die Arme - Romanos, eines jungen Kochs, der in Deutschland versucht, das nötige Geld zu verdienen, um in seiner Heimat eine Trattoria zu eröffnen. Er betet Sarah bald an, ebenso wie ihre kleine Tochter Elsa. Zusammen wandert die junge Familie nach Italien aus. Dort trifft Sarah auf eine eifersüchtige Schwiegermutter, doch sonst scheint alles in Ordnung zu sein. Als dann auch noch der gemeinsame Sohn Eduardo, genannt Edi, auf die Welt kommt, scheint das Familienglück perfekt zu sein.
Doch an seinem zweiten Geburtstag verunglückt Edi und ist fortan geistig schwer behindert - im Gegensatz zu seiner hochintelligenten Schwester Elsa. Ab diesem Zeitpunkt nimmt das Leben der vier langsam eine Wende. Sarah kann ihr nun behindertes Kind kaum lieben, bringt ihm wenig Aufmerksamkeit entgegen. Unter der Oberfläche der heilen Familie mit Schicksalsschlag brodelt es. Dennoch bleibt die Frage lange offen, wer Sarah denn stark genug hasste, um einen Mord zu begehen.

Die Geschichte vermag eine Zeitlang wirklich zu fesseln. Es beginnt mit einem Mord, langsam wird der Leser dann in die Vergangenheit mitgenommen, zum Beginn der Geschichte von Sarah und Romano. Doch dann wird alles immer abstruser. Von einem Tag auf den anderen verwandelt sich Sarah anscheinend in eine Männerfresserin, die sich, attraktiv und schön, wie sie ist, mit allen möglichen Männern einlässt. Seltsamerweise bleibt das in einem kleinen italienischen Dorf absolut unbemerkt - und das, obwohl hier sonst alles bekannt ist und von den italienischen Frauen ausführlich besprochen wird. Nun gut, kann ja sein.
Mit den Jahren werden auch die Ereignisse immer seltsamer. Elsa, die sich mit ihrer Mutter nicht mehr so gut versteht und versucht, sich abzunabeln, hört in Siena Klaviermusik. Dieser folgt sie, sieht den halbnackten, wunderschönen Pianisten, geht sofort in seine Wohnung … Als der Leser langsam hinter die wirkliche Identität des Pianisten herausfindet, reichen die Reaktionen wohl von entnervtem Seufzen bis hin zum amüsierten Schmunzeln. Klar, musste ja so kommen, in diesem Buch wird ja jeder mögliche Zufall bis zum Ende ausgereizt. Man kann jetzt argumentieren, dass das Leben halt Zufälle schreibt, dass so etwas passiert, nichts ist unmöglich - genau, alle möglichen Umstände fügen sich so zusammen, wie es in diesem Buch beschrieben ist. Und das soll realistisch sein?

Da weiß man gar nicht, worüber man sich mehr ärgern soll: Über Sarahs plötzliche und nicht nachvollziehbare Wandlung von der verliebten Studentin zum Vamp mit hohem Männerverschleiß, darüber, dass in diesem Buch wirklich jeder mögliche Zufall eintritt, oder doch lieber über die verachtend wirkende Beschreibung Edis? Laut dem Plot der Autorin entwickelt er sich nicht weiter als ein Fünfjähriger - dennoch können die meisten Fünfjährigen ganz gut verstehen, was man ihnen erklärt, kennen falsch und richtig, verkriechen sich nicht den ganzen Tag in einem Bretterverschlag - von den Eltern als normal hingenommen - und verdienen vor allem eine Behandlung, die besser als die eines Hofhundes ist - auch in einem Roman. Man könnte sich auch darüber ärgern, dass die Charaktere wie Abziehbilder wirken, einfach möglichst viele Klischees über blonde Frauen, italienische Schwiegermütter, behinderte Kinder, hochintelligente Kinder, italienische Liebhaber, deutsche Eltern … einfügen, dann wird der Leser schon was zum Identifizieren und interessant finden haben: Fehlanzeige, so funktioniert kein Roman. Zumindest kein guter. Auch sprachlich darf man nicht zuviel erwarten: Formulierungen, die aus einem Rosamunde-Pilcher-Roman entsprungen wirken, findet man etwas zu oft, bedenkt man, dass man hier einen Krimi vor sich hat, keinen Liebesroman.

Über das Ende kann man viel sagen: Einerseits ist es überraschend und unerwartet, somit für den Leser zunächst befriedigend. Andererseits aber wird es von dem Gefühl der Dankbarkeit überschattet, dass das Buch nun zu Ende ist und man nicht noch einen weiteren merkwürdigen Einfall der Autorin hinter sich bringen muss.
Nach der Lektüre bleibt die Enttäuschung darüber, dass eine gute Idee und ein guter Ansatz so verschwendet wurden. Zu viele Zufälligkeiten treten ein, zu merkwürdige Wendungen nimmt die Handlung, zu viele - mehr oder wenigen - unwichtigen Personen werden eingeführt, anstatt die bestehenden und wichtigen Charaktere weiterzuentwickeln und ihnen etwas mehr Tiefe zu verleihen.

Anja Thiemé



Taschenbuch | Erschienen: 01. November 2007 | ISBN: 9783453432741 | Preis: 9,95 Euro | 574 Seiten | Sprache: Deutsch

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