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Joe Wrights Verfilmung von "Abbitte" mit Keira Knightley und James McAvoy in den Hauptrollen, die im Sommer in den deutschen Kinos anlief und zu Recht hoch gelobt wurde, bescherte der bereits 2001 zuerst erschienen Romanvorlage von Ian McEwan neue Aufmerksamkeit, die tatsächlich auch absolut verdient ist:
England, 1935: An einem heißen Sommernachmittag träumt sich ein junges Mädchen in die Fantasiewelt seines ersten Theaterstücks hinein, das es am Abend mit den aus London angereisten Cousins der Familie vorführen will. Briony Tallis muss jedoch bald erkennen, dass die ungestümen Zwillinge und die zwei Jahre ältere herrische Cousine Lola kaum Willens sind, sich dem Willen der Regisseurin, die natürlich auch die Hauptdarstellerin des Stücks ist, zu fügen.
Im Laufe des drückend heißen Nachmittags wird die enttäuschte Briony ungewollt Zeuge der leidenschaftlichen Affäre, die sich zwischen ihrer gerade vom College heimgekehrten Schwester und dem Sohn der Haushälterin zu entfalten beginnt. Und während Cecilia Tallis und Robby Turner in ihrer neu entdeckten Liebe aufgehen und es kaum erwarten können, sich nach dem gemeinsamen Dinner alleine wieder treffen zu können, glaubt das Mädchen - verstrickt in ihrer eigenen Fantasie und zu jung, um das Gesehene ganz begreifen zu können - Zeuge einer Gewalttat, eines Angriffs auf ihre Schwester geworden zu sein.
Die Zwillinge verschwinden vor dem Abendessen, einen von Rechtschreibfehlern strotzenden Abschiedsbrief hinterlassend, und die Gesellschaft verstreut sich in den nächtlichen Park hinaus, um die vermissten Kinder zu suchen. Und als Briony in der Nacht Lola weinend und vergewaltigt am alten Tempel findet, glaubt sie zu wissen, wer ihrer Cousine das angetan hat. Durch ihre Aussage vor Gericht verändert sie nicht nur die Zukunft von Cecilia und Robby, sondern lädt auch eine Schuld auf sich, die sie nie ganz loswerden können wird. Erst viel später, als alle drei in den Wirren des zweiten Weltkrieges ihren Platz finden müssen, wird Briony langsam so ganz bewusst werden, was sie in jener Nacht angerichtet hat.
Was könnte man über diese Geschichte sagen? Dass der Autor gekonnt die Atmosphäre dieses drückenden Sommertages heraufbeschwört, eindrückliche, faszinierende Charakterbilder entwirft, die in ihren Zweifeln, Leidenschaften, Ängsten wirken, wie eben dem Leben entsprungen? Ja, all das. Doch auch, dass die Geschichte an sich, so gemächlich und langsam sie beginnt, den Leser schleichend in ihren Bann zieht, um ihn später mit einem unerwarteten und auf sehr seltsame Weise erlösend wirkenden Ende zu konfrontieren. Selten hat es ein Roman geschafft, so intensive Bilder zu erzeugen, von den schattigen Ecken der Bibliothek im Landhaus der Familie Tallis, wo die Liebe zwischen Cecilia und Robby ihren ersten stürmischen Ausbruch findet, bis zu den zerstörten Dörfern an der französischen Küste, die Soldat Turner auf dem Marsch nach Dünkirchen findet. Und damit bleibt "Abbitte" bis zur allerletzten Seite faszinierend: eindrücklich beschriebene Charaktere in einer Liebesgeschichte, die von der ersten Seite an zu einem bitteren Ende verdammt und doch bis zur letzten Seite seltsam hoffnungsvoll erscheint - ein wundervoller Roman und absolut lesenswert.