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Onanieren abgeleitet vom zweiten Sohn des Juda, bekannt aus dem Alten Testament. Onan sollte ja, nachdem sein älteren Bruder Ger getötet wurde, dessen Frau Thamar schwängern, um das Fortbestehen des Clans zu sichern. Doch Onan sollte zwar seine Schwägerin schwängern, doch die daraus hervorgegangen Kinder würden Ger zu Ehren gereichen. Darum ließ Onan seinen Samen auf die Erde fallen und verdarb ihn. Onan wurde wie zuvor sein Bruder getötet, wegen dieses Frevels.
Im Laufe der Geschichte wurde das ONANieren vor allem in der christliche geprägten Welt ersetzt durch das Wort masturbieren (vor allem im 19. Jahrhundert). Das kommt vom lateinischen "masturbari", welches wiederum an das "man stuprare" angelehnt ist. Diese bedeutet "mit der Hand schänden". So kommt es, das heutzutage für die ein und dieselbe Tätigkeit zwei Wörter benutzt werden.
Doch das Thema an und für sich wird weiterhin tabuisiert. Dabei ist es in mancherlei Hinsicht, man denke nur an Boris Becker oder Bill Clinton, besser gewesen, wenn sie onaniert hätten. Der Thrill wäre der gleiche, doch die Auswirkungen wären für die Betroffenen nicht ganz so gravierend gewesen.
Im Endeffekt ist es ja so, dass es (fast) jeder Mensch macht, doch trotz Oswald Kolle und Beate Uhse, wird darüber nicht gesprochen. Und wehe man wagt es in der Öffentlichkeit darüber auch nur ein Wort zu verlieren. Onanieren ist einfach igitt und schmutzig, niederträchtig und armselig. So zumindest heute noch die Vorstellungen in einigen Köpfen.
Doch in der Realität sieht es anders aus. Es ist vor allem eine Kopfsache, es ist definitiv keine Ersatzbefriedigung für eine fehlenden Geschlechtspartner. Es ist einfach nur ein Ausdruck der Selbstliebe. Es ist Autoerotik.
Beschrieben werden in diesem Buch nicht nur der geschichtliche Hintergrund, sondern auch die biochemischen Prozesse, die im Hirn und dem restlichen Körper ablaufen. Es werden Gleichnisse gezogen und hilfreiche Beispiele gegeben.
In 19 Kapitel unterteilt sich das Werk, wobei das Hauptaugenmerk darauf gelegt wird, dass das Onanieren etwas völlig Natürliches ist, etwas was befreien kann, was Spaß macht, was befriedigt. Es wird auch auf die gängigsten Vorurteile bezüglich der Onanie eingegangen: Onanieren verursacht einen krummen Rücken, lässt Haare zwischen den Fingern wachsen, macht impotent, blass, schwach und verursacht Sehstörungen. Dies wird anhand von Textpassagen aus alten Erziehungsbüchern verdeutlicht. Doch wie gesagt, das sind Vorurteile, die zu einer Zeit entstanden sind, wo das Thema Autoerotik tabuisiert wurde.
Doch wer in diesem Werk eine rein wissenschaftliche Abhandlung erwartet, den kann ich schon mal jetzt enttäuschen. Es handelt sich vielmehr um eine Aufarbeitung der Kindheit und der Partnerschaft der Autoren. In ganz gewöhnlichen, teils sogar sehr umgangssprachlichen Sätzen und Gedankengängen wird das Thema Onanie an den Mann beziehungsweise die Frau gebracht. Was ist der Grund der intensiven Beschäftigung mit dem eigenen Geschlecht im wahrsten Sinne des Wortes?
Es geht um Wahrnehmung. Wahrnehmung und Verständnis gegenüber der eigenen Person und des eigenen Geschlechtes. Onanieren hilft dabei die eigenen Sexualität zu erschließen und zu erforschen, von der Jugend an bis ins Alter. Es ist ein Kick im Kopf, eine Ausschüttung von Glückshormonen.
Die Autoren bearbeiten das Thema anhand ihrer eigenen Jugenderlebnisse. Chronologisch wird vorgegangen, wird erzählt und beschrieben, was ihnen durch den Kopf ging oder noch immer geht. Federführend dabei ist Axel H. Kunert. Seine Frau Wiebke trägt natürlich auch mit ihren Eindrücke dazu bei. Graphisch sind diese von einander leicht zu unterscheiden. Die Zeilen von Frau Kunert sind kursiv geschrieben. Gegen Ende des Buches arbeiten sie beide ihre Beziehung auf, lassen teilhaben an ihren Gedanken und Ängsten, ihre Sorgen und ihren Nöten.
Dabei stellt das Buch kein voyeuristisches Medium dar, besser gesagt, es soll es nicht darstellen. Das Werk berichtet schonungslos über Gedankengänge, Spielereien und Vorstellungen, ohne jedoch das eigentliche Thema außer Acht zu lassen.
Vielmehr wird deutlich, das es zur normalen Entwicklung dazu gehört, sei es die körperliche, geistige, als auch die Entwicklung in einer Partnerschaft.
Nur wer sich selbst versteht, kann andere versuchen zu verstehen.
Das Buch war gut zu lesen, wenn auch ungewohnt, bestimmte Wörter zu lesen. Es ist auch kein trockenes wissenschaftliches Sachbuch. Es gibt Tipps zum Onanieren, Hinweise auf Hygiene, doch wird der erhobene Zeigefinger dabei vermieden. Es richtet sich eigentlich an alle Interessierte, ob sie nun das heimlich lesen oder ganz entspannt im Zug. Das wiederum könnte zu interessanten Gesprächen führen. Diese Buch hat eindeutig eine aufklärende Komponente, vor allem für Eltern, die nicht wissen, wie sie mit diesem Thema gegenüber ihren Kindern umgehen sollen.