Gesamt |
|
Anspruch | |
Aufmachung | |
Brutalität | |
Gefühl | |
Humor | |
Preis - Leistungs - Verhältnis | |
Spannung | |
Irgendwann, wenn man älter wird, gewinnt für viele Paare der Kinderwunsch an Bedeutung. Umso ernüchternder ist es dann für die Betroffenen, wenn es nicht (mehr) klappt. Doch bedeutete ein solches biologisches Defizit noch vor hundert Jahren das genealogische Aussterben, so vermag die moderne Reproduktionsmedizin heute in vielen Fällen zu helfen - nein, das ist kein Werbetext für eine Fruchtbarkeitsklinik, das ist in der Tat ein Rezension über John von Düffels Roman "Beste Jahre". Denn dieser kreist um das Ende der Sturm-und-Drang-Phase eines Schauspielerehepaares Anfang vierzig, das sich entschließt, ein Kind zu bekommen.
Vielleicht, überlegt der Schauspieler, der zugleich Erzähler ist, vielleicht wäre es auch gar nicht ihr Entschluss gewesen ein Kind zu bekommen. Vielleicht wäre es vielmehr die logische Konsequenz einer unbewussten Entscheidung, dass die neue gemeinsame Wohnung in ihrem Grundriss ein Zimmer besaß, das dort als Kinderzimmer ausgewiesen war. Gedankengängen wie diesen hängt der Erzähler immer recht ausführlich nach, Überzeugungen, an die er selbst fest glaubt und die er dem Leser damit glaubhaft macht. Aus dieser Diskrepanz zwischen dem perspektivisch gebundenen Erzähler und seiner Umwelt entsteht der Esprit des Textes, nicht zuletzt getragen vom brillianten und unterhaltsamen Stil John von Düffels. Wenn der Erzähler sich vornimmt, mehr Distanz zu sich wahren zu wollen und aus der Ich- in die personale Er-Perspektive wechselt, wirkt das wirklich lustig und ein wenig fühlt man sich als allwissender Leser überlegen.
Dank der modernen Reproduktionsmedizin wird der Schauspieler zum designierten Vater und damit auch Teil einer entstehenden Familie. Sein Ich wird zu einem Wir, bestehend aus seiner Frau Lisa, dem Kind Obsklappt (wie es von beiden immer genannt wird) in ihrem Bauch und dem Schauspieler. Die Gewöhnung ist einerseits aufregend, andererseits durchaus noch im Rahmen der alltäglichen "Truman-Show" des Pärchens. Der werdende Vater kann nicht mehr anders, als alles unter den Kriterien des Zeugens und Gebärens zu betrachten. Dass dies höchst amüsant ist, muss nicht eigens erwähnt werden, zumal es in einem kurzweiligen Stil geschildert wird und von Zeit zu Zeit auch das ein oder andere Späßchen eingestreut wird.
Würde der Roman nur daraus bestehen, käme dem Leser nach hundert Seiten das Gähnen und nach zweihundert würde er ihn zugunsten einer Comedy-Serie im Fernsehen weglegen. Doch mit seinem ehemaligen Griechischlehrer Herrn Dr. Moosheimer und dem Schul- und Studienfreund HC, Hans-Christian Meyerdierks, gerät die alltägliche "Trueman-Show" reichlich durcheinander. Damit hebt sich die Geschichte von der bloßen Banalität ab, gewinnt erheblich an Spannung und entwickelt sich beinahe zu einem Gebär- und Fruchtbarkeitskrimi.
Immer wieder gelingt es John von Düffel scheinbar beiläufig Erwähntes plötzlich in den Mittelpunkt zu rücken und zu einem dichten Gewebe zu verschlingen. "Beste Jahre" wird dadurch zu einem unterhaltsamen und gleichzeitig tiefgründigen Roman, der es schafft den Leser von Zeit zu Zeit einem unbefangenen Lachen bringt, von dem dann aber doch ein bitterer Nachgeschmack bleibt. Hat sich das Gewebe verdichtet und ist die Handlung in Fahrt gekommen, ist es kaum mehr möglich, das Buch wegzulegen.