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Dass sich Fachfremde im Lauf ihres Erwachsenenlebens für Chemie zu interessieren beginnen, ist ziemlich unwahrscheinlich: Für die meisten Menschen hat Chemie etwas mit Gift und eigenartigen Formeln aus Buchstaben, Ziffern und Strichen zu tun, am besten jedoch nicht mit ihrem Alltag.
Und doch kann niemand die Chemie aus seinem täglichen Leben heraushalten, nicht nur, weil unser Organismus über zahllose biochemische Reaktionen am Laufen gehalten wird. John Emsley, ein Meister im Verfassen populärwissenschaftlicher Bücher über chemische Verbindungen und ihre Bedeutung für den Menschen, stellt in diesem Buch eine Reihe von Elementen und Verbindungen vor, ohne die unser Leben unmöglich, wesentlich weniger luxuriös oder aber weniger gefährlich wäre.
Im ersten Abschnitt geht es um Moleküle, die man in der Nahrung antrifft, und die im Körper Interessantes bewirken, wie etwa Phenylethylamin in Schokolade, Oxalsäure in Rhabarber und anderen Lebensmitteln, Koffein sowie Methylmercaptan in Knoblauch.
Das zweite Kapitel befasst sich mit zahlreichen vom Körper benötigten Metallen, darunter so bekannte wie Calcium, Eisen und Magnesium, doch auch das etwas zweischneidige Natrium und eine Reihe von Spurenelementen wie Zinn, Mangan und Kobalt.
Kapitel Drei präsentiert zunächst für die Gesundheit wichtige und nützliche Substanzen wie Folsäure, Stickstoffmonoxid (bedeutsam unter anderem für die männliche Sexualität) und Penicillin; anschließend betrachtet der Autor einige Drogen.
"Trautes Heim" lautet der Titel eines weiteren Abschnitts: Gebrauchschemikalien aus Wasch- und Reinigungsmitteln, diverse Ausgangsstoffe für Kunststoffe, Glas und weitere in ihren Verbindungen allgemein verwendete Chemikalien werden hier vorgestellt. Der nächste Abschnitt erläutert, wie die Produktion diverser Polymere abläuft, und wie diese unseren Alltag auf vielfältige Weise erleichtern.
Um eine Abwägung des Nutzens und Schadens von mehr oder weniger umweltschädlichen oder -aktiven Substanzen geht es in zwei Kapiteln, darunter auch um Treibstoffe. Der letzte Abschnitt wird Krimifreunde vielleicht am meisten faszinieren, denn hier werden Hintergründe zur Wirkung einiger Gifte erläutert.
Chemie ist durchaus kurzweilig und verblüffend, wie John Emsley überzeugend darzulegen vermag, und vor allem lohnt es sich durchaus, ein wenig darüber zu wissen, denn nicht immer ist ein Molekül so schlecht, wie eine einzelne, von den Medien hochstilisierte Studie zunächst glauben macht, die dann oft von seriösen, aber weniger medienwirksamen Studien widerlegt wird. Beispiele hierfür findet man mehrfach in Emsleys Buch, doch auch Gegenbeispiele, denn vermeintlich "gute" Substanzen können durchaus schädliche Wirkung zeigen. Dies gilt etwa für manche Nahrungsergänzungsmittel, die wir mit unserer Nahrung ohnehin in ausreichender Menge zu uns nehmen, und die bei Überdosierung durch Menschen, die es mit ihrer Gesundheit besonders "gut" meinen, krank machen.
Die grundsätzlich positiv zu wertende Idee, Kraftstoffe aus nachwachsenden Quellen zu verwenden, wird dadurch ad absurdum geführt, dass zur Gewinnung von einem Liter Biodiesel ein Liter Mineralöl oder das Äquivalent hierzu an anderen fossilen Brennstoffen benötigt wird. Der Leser wird also aufgefordert, sich eine eigene Meinung zu bilden, gerade in Sachen Umweltschutz: Emsley zeigt viel versprechende, wirklich nachhaltige Ansätze auf, ebenso jedoch Irrwege und Sackgassen.
Wer sich mehr für die Ursache des von Schokoladen- oder Zigarettenkonsums hervorgerufenen Glücksgefühls interessiert, wird in diesem Buch ebenso fündig, denn dafür hält Emsley anschauliche Erläuterungen bereit. Viagra setzt mit der bekannten Wirkung Stickstoffmonoxid frei. Und wer für die Gesundheit seines Herzens etwas tun will, braucht nicht unbedingt vorbeugend Aspirin zu nehmen: Die Nahrung hält, optimal zusammengestellt, reichlich Salicylat bereit, das eine vergleichbare Wirkung hat.
Richtig spannend und lebens- oder auch todesnah geht es im Kapitel über Gifte zu: So rettete eine Krankenschwester, die einen Krimi von Agatha Christie aufmerksam gelesen hatte und daher die Symptomatik einer Thalliumvergiftung kannte, einem kleinen Mädchen das Leben. Andererseits führt Emsley in diesem Kapitel aber auch aus, wie noch in jüngster Zeit Kampfgase eingesetzt wurden, und welche Bedrohungen die Radioaktivität birgt.
John Emsley weiß seine Themen trotz der gegebenen Sachlichkeit unterhaltsam und sehr kurzweilig auszuführen, er bricht eine Lanze für seine wissenschaftliche Disziplin und stellt die einzelnen Bereiche dennoch sehr ausgewogen dar. Denn wie alle Wissenschaften hat auch die Chemie zwei Seiten, die man kennen sollte.