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Dieses Softcover-Buch ist in dieser Art, soweit ich weiß, einzigartig.
Weder gibt es hier Anleitungen, noch autobiographische Elemente, sondern es handelt sich vielmehr um ein ernst zu nehmendes Buch, das wissenschaftlich an das Thema heran geht.
Der Autor möchte vor allem aus Sicht der Psychologie an den Schamanismus heran treten und untersuchen, welche Beobachtungen, Rituale und Erzählungen wohl grundsätzlich in das Reich des Aberglaubens zu verbannen sind oder inwiefern und inwieweit sich schamanisches Erleben wissenschaftlich stützen lässt.
Dabei arbeitet er mit anthropologischen Erkenntnissen und bemängelt, wie schon Amelie Schenk in >>>Was ist Schamanentum?<<< die scheinbar noch immer oft anzutreffenden Beobachtungen des Schamanismus von außen und als primitive Kulturform.
Dahingegen erklärt der Autor dieses Vorgehen allerdings auch als typisches Erbe einer von Freud geprägten Psychologie und wagt, nachdem dieses Fach bis heute nun einige neue Schulen und Erkenntnisse erworben hat, einen moderneren Vergleich.
Nach einem allgemeinen Definitionsversuch des Schamanismus befasst sich Roger N. Walsh mit dem Leben eines Schamanen, seiner Berufung, seiner Entwicklung und erst dann mit seinem Wirken. In den Vordergrund stellt er bei seiner Definition das Erreichen veränderter Bewusstseinszustände sowie das Reisen in die Geisterwelt, andere Dimensionen oder wie auch immer man es bezeichnen mag. Diese Definition erlaubt es, im Rahmen dieses Buches auch über den schamanischen Tellerrand zu schauen und Abgrenzungen zu Medien, Heilern und anderen zu suchen.
Auch der psychopathologischen Diagnostik widmet sich der Autor und stellt verschiedene Beobachtungen und Erzählungen von Schamanen dar, zu denen er dann nach Verbindungen zu Epilepsie, Hysterie, Schizophrenie und anderen psychotischen Krankheitsformen sucht und seine Schlussfolgerungen darlegt.
Das Universum eines Schamanen und vor allem der Bezug zu Geistern, verschiedene schamanische Techniken und schamanische Geisteszustände bilden weitere Kapitel dieses Buches.
Die möglichst offene Herangehensweise, bei der jedoch auf wissenschaftliche Ernsthaftigkeit Wert gelegt wird, wird auch hier beibehalten.
Insgesamt fällt auf, dass dieses Buch im Grunde weder ein Für, noch ein Wider bildet, vielmehr wird der Schamanismus einfach dadurch ernst genommen, dass der Blickwinkel des Autors ein anderer als andere ist, also fernab von reiner Mystik, Esoterik und Magie.
So betrachtet er Schamanen auch als Personen, die ein hohes angeborenes oder erworbenes Gespür für ihre Umwelt haben und demnach etwa vergleichbar mit westlichen Therapeuten auf ihre "Patienten" eingehen können. Auch der Placebo-Effekt spielt hierbei eine Rolle, ebenso wie verändertes Bewusstsein definitiv nicht nur durch Drogen, sondern auch durch - im übrigen auch psychotherapeutisch in der westlichen Welt genutzt - Hyperventilation und Körperarbeit eintreten kann.
Insgesamt nimmt Robert N. Walsh dem Schamanismus ein Stück seines Schleiers, aber auch ein Stück der Vorurteile.
Er zeigt die tatsächlich gegebenen Möglichkeiten des Schamanismus, der deutlich mehr als Hokuspokus zu bieten hat und zieht im letzten Kapitel schließlich auch eine Bilanz, nach der der Boom, der magische und/oder schamanische Anhänger der westlichen Welt nicht als Fanatiker, sondern als dem Menschen naturgegeben nach Spiritualität und Gemeinschaft Suchende befällt, nur natürlich ist und nach der der Schamanismus gegenüber der westlichen Welt offensichtlich tatsächlich einige Dinge verstanden hat und umsetzt, die hierzulande längst vergessen scheinen.
Dass mit diesem Denken und dieser Spiritualität auch ein besseres Verständnis und eine höhere Achtsamkeit für die Erde und aller auf ihr befindlichen Lebewesen einschließlich der Umwelt als insgesamt schützenswertes Gut gesehen wird, befindet er für positiv, für wünschenswert, nicht jedoch als spirituell schwierig zu erlangende Erkenntnis.
Dieses Buch liest sich spannend wie ein Roman und arbeitet in erster Linie eigene Gedanken und Arbeiten des Autors heraus. Wo er sich jedoch auf andere Quellen stützt und diese zitiert, fällt auf, dass es sich vielfach um sehr bekannte Werke und Autoren handelt, die ihrerseits auch nicht einfach in einen esoterischen Sack zu werfen, sondern ernst zu nehmen sind.
Besonders lesenswert macht dieses Buch, dass es keine schamanische Kultur im besonderen beschreibt oder viele in einen Topf wirft. So wird der Leser nicht verwirrt und kann sich auf die kulturübergreifend gültigen und zutreffenden Dinge konzentrieren.
Einzig störend ist die Einbeziehung des Lesers mit dem wiederkehrenden Wort "wir".
Wir haben nämlich gar nicht bestimmte Aspekte genauer unter die Lupe genommen, sondern der Autor hat. Und nun ist
er so freundlich,
uns Lesern diese Gedanken und Schlüsse mitzuteilen. Das finde
ich auch so in Ordnung, und
er, der Autor, hätte dazu auch ruhig stehen können. Immerhin ist daraus ein wirklich sehr lesens- und empfehlenswertes Buch entstanden.