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Praktisch über Nacht ändert sich Anaids Leben von Grund auf: Als sie eines Morgens - nach einer Nacht voller wirrer Träume - aufwacht, ist ihre Mutter Selene spurlos verschwunden. Obwohl sie offensichtlich weder Geld, noch Autoschlüssel, Jacke oder gar Schuhe mitgenommen hat, taucht sie auch nach Tagen nicht mehr auf. Anaid, die sich aufgrund ihrer Kleinwüchsigkeit - sie hat so gar nichts von der atemberaubenden Schönheit ihrer flippigen Mutter abbekommen - ohnehin als Außenseiterin fühlt, macht dieser Verlust selbstredend schwer zu schaffen.
Da hilft es auch nicht, dass sich die Freundinnen ihrer Mutter um sie kümmern und sogar ihre Großtante zu ihr zieht, um sich um sie zu kümmern. Im Gegenteil, mit Griseldas Einzug wird Anaids Leben nur noch seltsamer:
Abschiedstelegramme von Selene tauchen auf, keine der Erwachsenen will die Polizei verständigen und Anaid erfährt, dass die Frauen ihrer Familie bereits seit Generationen dem geheimen Hexenklan der Omar angehören - und dass auch sie eine Hexe ist.
Die Omar-Hexen bekämpfen seit jeher den Klan der skrupellosen Odish-Hexen und nun scheint Selene entweder entführt worden oder übergelaufen zu sein. Als Anaids magische Kräfte erwachen, beschließt sie, sich auf die Suche nach ihrer Mutter zu machen, von der beide Hexengeschlechter glauben, dass sie die Auserwählte einer uralten Prophezeiung ist, die den gnadenlosen Hexenkrieg beenden soll.
Die spanische Autorin Maite Carranza hat mit "Der Klan der Wölfin den ersten Teil einer Trilogie geschaffen, die durch ihr zumindest hierzulande eher ungewöhnliches Setting sehr frisch wirkt: Anaid lebt in einem kleinen Bergdorf inmitten der Pyrenäen. Die Magie der Hexenclans ist nicht unbedingt bahnbrechend innovativ, unterscheidet sich jedoch von der archetypischen Fantasy-Magie genug, um interessant zu wirken.
Besonders gelungen fallen kleine Versatzstücke aus dem Sagenschatz anderer Kulturen auf, die innerhalb von Carranzas Roman eine neue Bedeutung erhalten. So ist dem versierten Leser sehr schnell klar, welche historische ungarische Figur für die Blutgräfin - die Anführerin der Odish-Hexen - Patin gestanden hat, auch wenn es der Autorin gelingt, ihr einen neuen mythologischen Hintergrund zu verleihen.
Auch ist es schön, dass Anaid mit all ihren Problemen einer Heranwachsenden einiges an Identifikationspotential aufweist. Vielleicht gelingt ihr im Verlauf der Handlung einiges zu gut, um glaubhaft zu sein - Harry Potter ergeht es da aber bekanntlich nicht anders.
Da eigentlich alle wesentlichen Hauptfiguren Frauen sind, dürfte das Hörbuch vor allem junge Mädchen ansprechen. Das soll jedoch nicht heißen, dass es für Jungs völlig ungeignet ist. Es kommt eben auf den individuellen Geschmack an.
Leider flacht die Handlung in der zweiten Hälfte etwas ab. Hier hätte Carranza sicher mehr aus ihrer eigenen Geschichte herausholen können, denn das Potential ist eindeutig da. Vielleicht wäre es ratsam gewesen, Anaid nicht ganz so schnell über sich hinauswachsen zu lassen.
Wenn man sich nach einer kurzen Einhörphase an die Lesung von Julia Nachtmann gewöhnt hat, ist man schnell von der von Maite Carranza erdachten Geschichte gefangen, zumal es der der Sprecherin gelingt, vor allem in den vielen kleinen Szenen voller trockenem Humor den richtigen Ton zu treffen. Etwas schade ist, dass die Pausen zwischen beziehungsweise die Anfänge der einzelnen Tracks nicht so recht zeitlich koordiniert wurden: Gerade beim Anfang einer CD werden die ersten Worte der Handlung fast vom Player verschluckt und man fühlt sich abrupt in die Handlung katapultiert. Hier wäre etwas mehr Sorgfalt ratsam gewesen.
Dafür weisen die einzelnen Tracks eine angenehme, praktische Länge auf.
Ansonsten präsentiert der Jumbo-Verlag auch äußerlich eine ansprechende CD-Box: Die sechs einzelnen Silberlinge teilen sich als Zweierpacks insgesamt drei Doppel-CD-Hüllen, die in einem Pappschuber zusammengefasst sind. Die einzelnen Booklets sind zwar auch etwas mager, die wichtigsten Informationen findet man allerdings.
Alles in allem bietet das Hörbuch jedoch eine aufregende Geschichte, die sich nicht darauf beschränkt, gängige Klischees wiederzukäuen. Da ist man neugierig auf den zweiten Band, "Die Eiswüste, der die kleinen Schwächen des ersten Bands vielleicht vergessen lässt.