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Studienanfänger haben es oft nicht leicht, das erfährt Markus gleich am ersten Tag seines neuen Lebens als Politikstudent an der Universität Bonn: Umgeben von teils skurrilen Gestalten sitzt er vor dem Büro eines Dozenten, um sich für einen Kurs anzumelden, kommt aber nicht mehr rein. Anna, die sein Schicksal teilt, nimmt ihn ein wenig unter ihre Fittiche, denn sie studiert schon seit ein paar Semestern. Er lernt, dass man bisweilen für eine Anmeldung zu einem Kurs schon Stunden vorher da sein muss, lernt Leute kennen, die ihm fortan immer wieder begegnen - was ihm nicht immer lieb ist -, und ist zunehmend fasziniert von dieser Anna, die sehr gewählt spricht, in vielen ihrer Angewohnheiten aus dem Rahmen fällt - und irgendwo in Deutschland einen Freund hat ...
Letzteres nagt zunehmend an Markus, aber eine Aussprache macht es nicht besser. Und dieses Wissen, sie nicht für sich gewinnen zu können, begleitet ihn in seinem ersten Semester, das geprägt ist von merkwürdigen Begegnungen mit Dozenten und Studenten, Partys mit aufdringlichen vollbusigen Blondinen, Burschenschaftlern, anstrengenden WG-Mitbewohnern und schrecklichem Mensa-Essen, aber auch unverhofften Freundschaften und kumpelhaften Taxifahrern.
"Der Uni-Roman" erzählt die Geschichte eines Durchschnitts-Erstsemesters und jeder, der studiert (hat), wird irgendwelche Ereignisse, Zustände und Begegnungen, die hier geschildert werden, wiedererkennen - gleich, auf welcher Uni er ist oder war. Manuel Hartung, der unter anderem in Bonn studierte und bei Spiegel Online über sein Studium "Manuels Bonn-Blog" veröffentlichte, zeigt die Licht- und Schattenseiten des deutschen Campus-Lebens auf, teils überspitzt, aber immer mit einem großen wahren Kern. Er erzählt aus Markus? Sicht in Präsens und Ich-Perspektive, erlaubt tiefe Einblicke in die Gedankenwelt eines noch unverdorbenen Durchschnitts-Erstsemesters und hat einen guten, unterhaltsamen Schreibstil, auf den man sich gerne einlässt. Dabei beschreibt er die universitäre Umwelt in teils bissigen, teils nüchternen Formulierungen, die aber nie in anstrengende Gehässigkeitskaskaden wie etwa bei Stuckrad-Barre ausarten - mit anderen Worten, er hört irgendwann damit auf und beschreibt auch das Positive in der Welt. Man kann sich gut in den Protagonisten einfühlen, der aus der wohlbehüteten Schulwelt in das studentische Haifischbecken gerät, seine Unsicherheiten und anfängliche Orientierungslosigkeit in fremdem Umfeld sind gut nachvollziehbar.
Besonderen Reiz hat dieses Buch natürlich für all jene, die an der Uni Bonn eingeschrieben sind oder waren. Hartung kennt alle seine Schauplätze, beschreibt sie so, dass sie einen hohen Wiedererkennungswert haben, und wenn man jahrelang fast täglich in der Mensa war und nachher immer bei Sam?s Café eine koffeinhaltige Verdauungshilfe getrunken hat, dann freut man sich umso mehr, wenn dieses Café am Rheinufer, das es dort jetzt leider nicht mehr gibt, in diesem Buch erwähnt wird - man mag sich dort vielleicht sogar unbekannterweise begegnet sein.
Aber auch für Nicht-Bonner ist dieses Buch sehr unterhaltsame Kost. Es ist nicht autobiographisch, das schreibt Hartung am Ende, und trotz aller Bissigkeiten über die Zustände an der Bonner Uni will er es als Liebeserklärung an eben diese Uni verstanden wissen.
Ein gutes Buch, empfehlenswert für alle, die am Beginn eines Studiums stehen, für alle alten Campus-Hasen und ehemalige Studenten, für alle Bonner, eigentlich für alle. Und wenn man dann noch will, kann man sich in Interpretationen auf Meta-Ebene ergehen und Anna mit ihrer befremdlichen Art und ihrem Geheimnis, das Markus schließlich lüftet, als Personifizierung der Universität sehen. Dann ist die vor allem für Erstsemester aufbauende Aussage des Buches, dass man sich irgendwann im Campus-Labyrinth zurechtfinden und seinen Platz darin finden wird. Man kann aber auch auf diese akademische Herangehensweise verzichten und das Buch einfach so genießen.