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Der Nobelpreis gilt als größte Auszeichnung für Menschen, die in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen, auf dem Gebiet der Literatur oder als Friedensstifter Herausragendes geleistet haben. Die Preise werden von einem fachkundigen Komitee vergeben, das sich im Allgemeinen an Empfehlungen ebenfalls fachkundiger Größen des jeweiligen Bereichs orientiert, unter denen sich oft frühere Nobelpreisträger befinden.
Was sich nach einem auf Kompetenz beruhenden Prozedere anhört, hat indes im Laufe der mehr als hundertjährigen Geschichte der Nobelpreise recht häufig zu strittigen Entscheidungen, manchmal auch zu eindeutigen Fehlentscheidungen geführt. Es kam zudem immer wieder zu Skandalen im Umfeld des Nobelpreises. So durften zum Beispiel Deutsche während des Dritten Reichs keine Nobelpreise entgegennehmen, und nicht anders erging es beispielsweise Bürgern der Sowjetunion.
Das vorliegende Buch befasst sich mit Ereignissen rund um Nobelpreisverleihungen, die einen faden bis bitteren Beigeschmack haben. Es ist nach den einzelnen Gebieten gegliedert, auf denen der Preis vergeben wird, und innerhalb dieser Abschnitte geht der Autor chronologisch vor.
Zu den umstrittensten Nobelpreisträgern im Bereich der Naturwissenschaften gehört zum Beispiel der "Erfinder" des Gaskriegs, Fritz Haber, der zeitlebens zu dieser Art besonders grausamer Kriegsführung stand; den Preis erhielt er selbstverständlich für andere Leistungen. Als skandalös kann man, wie der Autor mehrmals aufzeigt, jedoch auch die Übergehung definitiv preiswürdiger Personen bezeichnen, etwa Lise Meitners, ohne deren enge und inspirierende Mitarbeit der Experimentalchemiker Otto Hahn wohl kaum die Kernspaltung entdeckt hätte, für die er mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.
Nicht selten wurden Labor- oder Institutsleiter für Leistungen mit dem Preis bedacht, die praktisch ausschließlich ihre nicht berücksichtigten Mitarbeiter vollbracht hatten. Hierfür gibt der Autor mehrere Beispiele. Und auch der Literatur-Nobelpreis ist nicht frei von Fehlentscheidungen - zu diesen gehört sicherlich die Preisvergabe an den unverbrüchlichen Faschisten Knut Hamsun, wie der Autor mit deutlichen Worten nachweist.
Ähnlich unverständlich sind manche Friedens-Nobelpreise, die an Verfechter des Terrorismus und Kriegstreiber gingen, etwa Menachem Begin und Theodore Roosevelt. Andererseits wurde, was der Autor zu Recht betont, Gandhi konsequent übergangen.
Das Buch ermöglicht dem Leser durch seinen klar strukturierten Aufbau und die nachvollziehbare Argumentation eine kritische Betrachtung der Nobelpreisvergabe. Spontan würden die meisten potenziellen Leser vermutlich nur sehr wenige Entscheidungen anzweifeln, vor allem aufgrund fehlender Sachkenntnis. Ob ein Physiker oder Chemiker seine gewürdigten Forschungsergebnisse mehr oder weniger von Kollegen abgeschrieben oder anderweitig mit unlauteren Mitteln gearbeitet hat, oder ob ein für das jeweilige Wissensgebiet mindestens ebenso bedeutsamer Fachkollege übergangen wurde, können im Grunde nur "Insider" beurteilen. Lediglich die Träger der Friedens-Nobelpreise, eventuell auch die gewürdigten Schriftsteller, sind einem weiten Publikum bekannt, und mancher, der mit Interesse Zankls Buch liest, mag sich über den Friedens-Nobelpreis für Arafat (und seine auch nicht zeitlebens friedlichen israelischen Mit-Preisträger) gewundert haben.
Vor allem aber macht das Buch verständlich, dass der Nobelpreis alles andere als frei von Kalkül und dem Wirken gewisser Seilschaften ist; das Beispiel der Rita Levi-Montalcini zeigt, dass unter Umständen sogar Firmen heute massiv auf das Nobelkomitee einwirken. Wenig verwunderlich erscheint hingegen die Tatsache, dass repressive Regierungen die Annahme des Preises durch ihre Bürger unterbinden und den Geehrten, bei denen es sich ohnehin meistens um Dissidenten handelt, mit weiteren Schikanen begegnen.
Es geht dem Autor jedoch nicht nur um Einzelfälle, sondern auch generell um die Praxis der Preisträgerfindung und Preisvergabe, denn so manches geht in dieser Hinsicht an den Intentionen des Stifters Alfred Nobel vorbei. Dieser wünschte, wie Zankl mehrfach erwähnt, eine zeitnahe Würdigung von außerordentlichen Leistungen; in der Praxis werden aber nicht junge Talente nach einem großen Wurf ausgezeichnet, sondern alte Männer und Frauen, die ihre Karriere bereits abgeschlossen haben. Das lässt sich begründen, widerspricht jedoch, wie angeführt, Nobels Vorgabe. Zankl diskutiert solche Abweichungen wie auch die einzelnen strittigen Fälle möglichst objektiv.
Das Buch bietet kurzweilige Lektüre zu einem überraschend spannenden Thema und setzt keinerlei Sachkenntnis voraus. Und mancher Leser mag beim Lesen Lust darauf bekommen, sich intensiver mit Wissenschaftsgeschichte zu befassen.