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Das Versepos um Iwein den Löwenritter, den besten und tapfersten Ritter der Tafelrunde König Artus, zählt zu den wichtigsten Texten der mittelhochdeutschen Literatur. Sein Verfasser Hartmann von Aue begründete mit dem "Iwein" und dem ähnlich gelagerten "Erec" die deutschsprachige Artusepik, in enger Anlehnung an die französische Vorlage von Chrétien de Troyes.
Vor allem die Iwein-Geschichte war an den deutschen Höfen ausgesprochen beliebt, wie die zahlreichen Abschriften belegen. Das Idealbild des tugendhaften Ritters, der seinem Herrn in Treue dient, der Minne huldigt und gegen seine inneren Schwächen kämpft - und sie besiegt - war ein Stoff, der offenbar den Nerv der damaligen Zeit traf. In der Tat liest sich von Aues Epos als eine präzise Parabel damaliger Werte und politischer Gegebenheiten.
Kann man mit einer solchen Geschichte auch heutige Leser noch fesseln und zum Nachdenken anregen? Die Schriftstellerin Felicitas Hoppe hat es ausprobiert. In "Iwein Löwenritter" erzählt Hoppe die Iweingeschichte nach, inhaltlich eng an der Vorlage, adressiert aber an eher jüngere Leser - an Kinder. Denn natürlich ist das Epos in erster Linie eine Abenteuergeschichte mit Rittern, Drachen, Riesen und Turnierkämpfen, die auch heutige Kinder begeistern kann. Der junge Ritter Iwein verlässt aus Langeweile den Artushof, um Ruhm und Ehre zu sammeln. Die Kraft eines magischen Brunnens verschafft ihm Zutritt zu dem feenhaften Reich Nebenan, dessen Herrscher er im Zweikampf besiegt und tötet und die nun verwitwete Gattin des Nebenbuhlers, die schöne Laudine, selbst zur Frau nimmt. Doch Iwein ist zwischen Liebe und Pflichtbewusstsein zerrissen; er kehrt zum Artushof zurück und droht Laudine zu vergessen. Als er seinen Irrtum erkennt, wird er verstoßen, verliert den Verstand und lebt eine Weile als wilder Mann im Wald - bis er seine Rittertugenden wiedererlangt. Auf seinem Weg, Ruhm, Ehre und Laudine zurückzugewinnen, wird ihm ein Löwe zum treuen Begleiter ...
Die Geschichte um den tapferen Löwenritter, der sich selbst verliert und wiederfindet, hat auch in Hoppes Fassung nichts von ihrem Charme und ihrer Symbolhaftigkeit verloren. Die Balance zwischen kindgerechter Nacherzählung und hintersinnigen Anspielungen gelingt der Autorin jedoch leider nicht. So schön die Stellen auch sind, an denen Hoppe die damaligen Ritterideale hinterfragt und ironisiert - in der Tendenz scheint sie weder die Vorlage noch das anvisierte Publikum ernst zu nehmen. Zu gewollt ist der Text auf den kindlichen Leser zugeschnitten, ohne diesem etwas zuzutrauen. Floskeln wie "Jetzt fragt ihr euch sicher" und "Erinnert ihr euch an den Immerwald?" wirken in der hier auftretenden Häufung eher betulich, und an nicht wenigen Stellen verschenkt Hoppe das Potential der Vorlage.
Eigentlich schade, denn die Idee, Hartmann von Aue für die heutige Teletubbies-Generation zu erschließen, ist hervorragend und originell. Leider hat Felicitas Hoppe zu wenig aus ihr gemacht. Und das ist angesichts eines so schön gestalteten Buchs - fester, blauer Einband im geheimnisvoll-grünen Pappschuber, märchenhafte Illustrationen im Innenteil - wirklich bedauerlich.