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Daniel Kehlmann war der Stein des Anstoßes. Im April 2002 erklärte er, die Literaturkritik im deutschsprachigen Raum falle hinter das zurück, was schon zu Zeiten Lessings erreicht worden sei.
Ist die Kritik in Feuilletons und Literatursendungen im Fernsehen also völlig beliebig und weit hinter ihrer Zeit zurück? Gunther Nickel meint, dies treffe leider zu, wie er in seinem Essay "Krise der Literaturkritik" erläutert. Es fehle ein einheitliches Konzept, eine Idee was gut in der Literatur sein sollte.
Und wollen die Leser überhaupt eine Literaturkritik? Bei Formaten wie dem titelgebenden "Lesen!" mit Elke Heidenreich ging es doch vielmehr um Kaufempfehlungen - womit der Titel dieses Buches "Kaufen! statt Lesen!" endgültig erklärt wäre. Um die "Kritik" an den Lesern und der Situation in diesem Lande abzurunden kann man auf die Information des Essays zurückgreifen, dass die erfolgreichste "Literaturzeitschrift" - wenn man nach den Verkaufszahlen geht - die Brigitte ist. Ja, die Frauenzeitschrift Brigitte. Wenn sie das aber nicht so schlimm finden und sich Frau Heidenreich anschließen, die ja oft genug betont hat "Hauptsache, Sie lesen" - dann könnte sowohl dieser Essay als auch dieses Buch an Ihren Interessen vorbeigehen.
Wer sich aber mit Literatur, vielleicht sogar mit Literaturkritik an sich, beschäftigt, wird hier sicher eine aktuelle, interessante Diskussion finden, die über Schwächen und offensichtliche Probleme berichtet, die nicht wirklich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen sind.
Der Hauptteil des Buches freilich gibt eine Podiumsdiskussion vom 27. März 2004 auf dem Leipziger Symposium der Deutschen Literaturkonferenz wieder. Interesse dürfte dieser Teil des Buches nur bei Lesern finden, die gerne Interviews in Zeitungen lesen - denn hier findet man nicht wirklich etwas anderes. Interessant dürfte dabei sein, dass man sich zwar bemühte, ein breites Spektrum abzudecken - es sind Journalisten, ein Privatdozent und der Generalsekretär des P.E.N. (Vereinigung der Poets, Essayists und Novelists) dabei - aber alle diese Menschen, die mit Literatur zu tun haben, auf einem sehr ähnlichen Weg zu ihrer Leidenschaft Bücher gekommen sind.
Als Leser kann man sich hier schon fragen, ob nicht vielleicht auch ein Teil des Problems der Literaturkritik in den unterschiedlichen Lebens- und Leseerfahrungen von Kritikern und "normalen" Lesern liegt. Obwohl das in der Diskussion auch bestritten wurde.
Im Endeffekt ist dieses Büchlein ein netter kleiner Einblick in die Welt der Literaturkritiker und die Probleme ihrer Zunft und kann zu eigenen Denkanstößen oder Diskussionen führen - wenn man gewillt ist, sich mit dem Thema auseinander zu setzen. Wer wissen will, wie sich die Literaturkritik selbst sieht und beurteilt, wird hier sicher interessante Thesen und Informationen finden.
Etwas schade ist bei diesem Buch nur, dass der zwar sehr anspruchsvolle, aber auch sehr kritische Essay von Gunther Nickel nur einen kleinen Teil des Buches in Anspruch nimmt.