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Harriet Vane ist, Jahre nach ihrer Mordanklage ("Starkes Gift" - in der Neuauflage "Geheimnisvolles Gift"), als erfolgreiche Kriminalschriftstellerin in der Lage, sich einen Urlaub in einem der typischen englischen Seebäder zu gönnen - auch um von Lord Peter Wimsey und seinen monatlichen Heiratsanträgen, ja, um überhaupt von seiner Präsenz in ihrem Leben wegzukommen. An ihrem ersten Urlaubstag macht sie eine Strandwanderung und findet bei Niedrigwasser auf einem einsamen Felsen liegend eine männliche Leiche. Überall verteiltes, noch flüssiges Blut macht ihr klar, dass der Mord unmittelbar vor ihrem Erscheinen an dem einsamen Strand geschehen sein muss. Dummerweise bleibt ihr nicht viel Zeit, den Toten zu untersuchen: die Flut kommt und sie wird den Körper unweigerlich aufs Meer hinaustragen und weitere Untersuchungen der Polizei sehr erschweren. Dies ist ihr klar, also untersucht sie den Toten so weit es geht, macht sich Notizen und sogar einige Fotos, um beweisen zu können, was sie der Polizei schildern will.
Niemand ist in der Nähe, ein weit entferntes Schifferboot dreht ab und verschwindet.
Auf ihrem Weg zurück begegnet sie nur einem einsamen Wanderer, ansonsten scheint die Landschaft wie ausgestorben unter der sengenden Sonne zu liegen. Die Polizei ist nicht glücklich über die folgenden Ermittlungen, wird doch die Leiche nicht gefunden und die Beobachtungen Vanes machen einen Mord nahezu unmöglich. Selbstmord, so die These und dahingehend gestalten sich auch die weiteren Ermittlungen der Polizei.
Harriet Vane beginnt eigenständig zu ermitteln, zu stolz um Lord Peter um Hilfe zu bitten und felsenfest davon überzeugt, das der junge Mann, Eintänzer in einem Strandhotel, keinen Grund zum Selbstmord hatte, ja sogar Hoffnung auf eine atemberaubende Zukunft zu haben schien.
Seine Geliebte, eine 50-jährige wohlhabende Witwe, seine Kollegen und seine Verflossene sind ebenso sicher, dass der sensible und ängstliche Mann keinesfalls Hand an sich gelegt hätte - und schon gar nicht mit einem Rasiermesser (der Tatwaffe, die Harriet Vane gefunden hatte).
Aus der Presse erfährt Lord Peter von den Schwierigkeiten seiner Angebeteten und postwendend beginnt er zu ermitteln - allerdings in eine ganz andere Richtung als Harriet und die Polizei. Schon bald hat er einen Verdächtigen, der kann es aber nicht gewesen sein - niemand hatte die Möglichkeit zu dem Felsen und wieder zurück zu gelangen ohne gesehen zu werden. Schwierig, nahezu unlösbar erscheint dieses Orts- und Zeitproblem, auch wenn immer neue Verdachtsmomente auftauchen und ein Motiv für die Tat auf der Hand liegt. Erschwerend kommt die geheimnisvolle Korrespondenz mit Unbekannten (in chiffrierter Form) und die Vorbereitungen des Toten, alle Brücken hinter sich abzubrechen (auch seine bevorstehende Heirat mit der reichen Witwe), hinzu.
Überraschend und genial einfach gelingt in einem Moment, als der Mörder sich endlich in Sicherheit zu wiegen beginnt, Lord Peter die Auflösung diese abscheulichen Mordes.
Der verdrehte Plot und die unglaubwürdigen Charaktere der Nebendarsteller sind nicht zu begreifen. Ist doch Stil und Aufbau der Geschichte perfekt und "Sayers typisch" mustergültig in Szene gesetzt. Doch warum diese hanebüchene Chiffrier-Idee, warum der unendlich komplizierte (und natürlich ermittelbare) Weg des Rasiermessers (durch Jahrzehnte!), warum der raffinierte und gerissene Mörder immer wieder als Depp, der Fehler macht, das einem die Haare zu Berge stehen? Die "Liebesgeschichte mit Hindernissen" zwischen Lord Peter und Harriet ist eindeutig der Aufhänger, die Geschichte "drumherum" erzählt. Schade, sind doch sämtliche Bücher der Autorin unbedingt zu empfehlen, ist dieses eine Buch das Schwächste der ganzen Reihe, in denen Lord Peter Wimsey ermittelt. Fast möchte man ausrufen: Nicht so kompliziert, nicht ganz so viel "schwafeln", weniger wäre mehr!
Dennoch, wer die Entwicklung der Autorin und ihrer Hauptfiguren nachvollziehen will, muss dieses Buch lesen, vor allem, wenn man das beste Buch, das die Autorin meiner Meinung nach überhaupt geschrieben hat: "Aufruhr in Oxford" lesen möchte (und wer das nicht tut, hat wirklich etwas verpasst!).