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James Sheehan beschreibt "Europas langen Weg zum Frieden" als einen Umweg: Der Kontinent sei bereits vor 1914 praktisch befriedet gewesen und erst der Erste Weltkrieg habe zu Verrohung und Instabilität geführt.
Durch die Gewaltideologien des Faschismus und des Kommunismus sei die Rückkehr Europas zu einer rationalen und friedlichen Politik verhindert worden, die zumindest in den westlichen Staaten angestrebt worden sei, wo die Erfahrung der Schrecken des Krieges den Pazifismus gefördert habe.
Der Kalte Krieg habe zur Entmilitarisierung der europäischen Politik geführt. Während der Ost-West-Konfrontation hätten die Staaten Europas de facto die Fähigkeit zur autonomen Kriegführung und zugleich jedes Interesse daran verloren.
Stattdessen würden sie in Institutionen wie der Europäischen Union in einem Maße zusammenarbeiten, das vor 1914 unvorstellbar gewesen sei. Sogar im Ostblock habe sich nach Stalins Tod ein Trend zu weniger Gewalt entwickelt.
Der Preis für die Pazifizierung Europas sei ein amerikanisches Protektorat über den Kontinent, der unfähig sei, seine eigenen vitalen Interessen zu wahren, zumindest dann, wenn dazu militärischer Gewalteinsatz erforderlich wäre. Das habe sich beim Zerfall Jugoslawiens gezeigt.
Dies werde auch so bleiben, solange Europa sich nicht zu einem föderalistischen Staat mit eigenem Militär und eigener Außenpolitik zusammenschließen werde. Ein solcher Staat werde aber nicht entstehen, weil es für die Europäer bequemer sei, die Abhängigkeit von den USA zu akzeptieren.
Ob ein Sachbuch gut oder schlecht ist, hängt von seinem Gedankenreichtum und von der Anzahl der Aha-Erlebnisse ab, die es seinem Leser beschert. In diesem Sinne ist Sheehans Analyse ein gutes, sogar ein sehr gutes Buch:
Der Autor lenkt den Blick auf die verzwickte Dialektik von Militarismus und Pazifismus, die für die europäische Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts prägend war, zeigt Kontinuitäten auf, wo oberflächlich nur Brüche zu erkennen sind, sensibilisiert den Leser dafür, wie wenig selbstverständlich Europas zivile Friedfertigkeit war und ist, analysiert realistisch die sicherheitspolitische Lage Europas und liefert eine Fülle treffender und überraschender Einsichten, die aufzuzählen den Rahmen einer Rezension sprengen würde.
Zusammen mit der ordentlichen, wenn auch nicht brillanten Übersetzung ein gelungenes Stück Geschichtsschreibung.