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Mit einem Klassiker des Genres beginnt Koch Media die "Film Noir Collection": "The Blue Dahlia" nach einem Drehbuch von Philip-Marlowe-Schöpfer Raymond Chandler, das später mit dem Oscar ausgezeichnet wurde, ist einer der besten Kriegsheimkehrer-Filme, die Mitte der Vierziger reihenweise in Hollywood produziert wurden und sich zumeist an diesem orientierten.
Im Mittelpunkt steht Johnny Morrison, der mit den zwei Kumpels George und Buzz aus dem Kriegsgeschehen in Europa heimkehrt und feststellen muss, dass sich die USA stark verändert haben. Am deutlichsten wird ihm das daran bewusst, dass ihn zuhause nicht mehr die brave Ehefrau Helen erwartet, sondern er in eine Party platzt, auf der seine angetrunkene Gattin sich anderen Männern gegenüber wenig kontaktscheu gibt. Sie ist selbstbewusst und eigenständig geworden wie viele andere Frauen, die in den Kriegsjahren plötzlich vor einem gewaltigen Problem standen: Viele der Männerberufe waren personell sehr stark ausgedünnt, weil die Männer in den Krieg zogen, und irgendwie mussten Wirtschaft, Dienstleistungen und das Leben für sich weitergehen. Die amerikanischen Frauen haben diese Lücken in den Büros gefüllt und sind um einiges freier und selbstbewusster geworden. Nach dem Krieg wollen sie nicht wieder einfach zu Heim und Herd zurück, so auch Helen nicht. Es kommt zum Streit, Johnny verlässt Helen wieder und gerät an die geheimnisvolle Joyce, deren Mann Besitzer des Nachtclubs "The Blue Dahlia" ist. Sie nimmt ihn im Regen mit, aber er misstraut ihr anfangs und nennt sich ihr gegenüber "Jimmy Moore".
Kurz darauf erfährt Johnny, dass Helen ermordet wurde. Der Polizei kommt zu Ohren, dass Johnny bei ihr war, und prompt wird er zum Hauptverdächtigen. Mit Unterstützung von Joyce, George und Buzz versucht er, der Verhaftung zu entgehen und den wahren Mörder zu finden.
Die Kriminalgeschichte ist eigentlich eher zweitrangig: Hier wird ein Gesellschaftsbild entworfen. In nahezu jeder Szene des Films zeigt sich der Wandel, in den die Helden der Army damals unvorbereitet hinein platzten. Alle Elemente der Kriegsheimkehrer-Situation werden ausgeweidet, etwa die gelegentliche Amnesie, unter der Buzz nach einer Kopfverletzung leidet, oder die Desorientiertheit der Hauptfigur in einer Welt, die er nicht mehr wiedererkennt. Bildsprache und Setting machen diesen Film zum Noir. Als Beispiel mag hier die erste Begegnung zwischen Johnny und Helen dienen: Es ist Nacht und es regnet, ein beliebtes Noir-Motiv - der Held ist desorientiert und ziellos, sieht nicht, wohin sein Leben nun gehen soll. Ein Wagen hält, eine Frau spricht ihn an, sie sitzt am Steuer, sie führt und gibt Sicherheit - verkehrte Welt. Sie trägt weiß, erscheint dadurch wie das Leuchtturmlicht im Dunkeln. Die Kamera ist so positioniert, dass der Rahmen der Windschutzscheibe die beiden Gesichter einrahmt: Die beiden werden einen bestimmten Weg gemeinsam gehen. Schließlich gibt Johnny sein altes Ich völlig auf, indem er sich "Jimmy Moore" nennt.
Alan Ladd und Veronica Lake, beide Stars ihrer Zeit, passen gut zusammen, und das nicht nur, weil sie im wahren Leben ein Paar waren. Das Spiel zwischen dem Kriegsveteran und dem bad good girl - zunächst undurchschaubar, aber doch auf der Seite des Helden, eine Frauenfigur vor allem in den frühen Noirs - überzeugt und bringt eine knisternde, wenn auch nicht erotische Atmosphäre in den Film.
Es war Chandlers einziger Noir, den er direkt als Drehbuch verfasst hat. Und dass die Kriminalgeschichte zweitrangig ist, sieht man auch daran, dass er zunächst eine andere Auflösung geplant hatte. Diesen und andere Hintergründe erfährt man in dem Booklet, das der schicken schwarzen Papp-DVD-Hülle beiliegt. Es ist neben Filmtrailer und einer kleinen Bildergalerie das interessanteste Extra an diesem Medium.
"Die blaue Dahlie" ist ein gelungener, spannender Film Noir, der kreuz und quer durch die Nacht führt, schmierige Hotelbesitzer und windige Nachtclub-Inhaber auftreten lässt und ein hervorragendes Gesellschaftsbild von den Nachkriegs-USA entstehen lässt, in denen ihre Kriegshelden wie Alice im Albtraumland umhertaumelten. Sehr gutes Kino für Freunde des Schwarzweißfilms und ein Muss für Noir-Fans.