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Der alte Mönch Romuald berichtet einem jüngeren Glaubensbruder, dass er nicht immer so ein gläubiges und gottesfürchtiges Leben geführt hat - tatsächlich war Romuald in jüngeren Jahren den Frauen sehr zugetan, besser gesagt einer Frau. Dies berichtet er dem anderen Mönch in einer Rückblende:
Es ist der Tag, an dem Romuald sein feierliches Gelübde ablegen und zum Priester geweiht werden soll. Doch ausgerechnet an jenem schicksalhaften Tag erblickt er in der Kirche eine unvergleichlich schöne Frau, in die er sich sofort unsterblich verliebt. Dennoch legt Romuald das Gelübde ab und schwört, ein Leben lang in Keuschheit zu leben - aber die betörende Frau geht ihm nicht mehr aus dem Sinn.
Kurze Zeit später, Romuald ist inzwischen Pfarrer einer kleinen Gemeinde geworden, wird er ans Sterbebett der Kurtisane Clarimonde gerufen; doch er kommt zu spät, die Sterbende hat bereits ihren letzten Atemzug getan. Was er in ihrem Zimmer erblickt, lässt ihn schwindeln: Die junge Frau auf dem Totenbett ist niemand anderes als die Schöne, die er in der Kirche sah. Romuald vergießt bittere Tränen, die eine erstaunliche Wirkung haben, denn die Tote erwacht zu neuem Leben. Nun beginnt für den jungen Mönch ein ganz neues Leben. Er lässt alles hinter sich und beginnt entgegen den Ratschlägen seines Vorgesetzten ein Leben voller Prunk und Ausschweifungen an Clarimondes Seite. Tagsüber ist er ein in der Gesellschaft beliebter Lebemann, doch nachts holt ihn seine Vergangenheit ein, und er träumt davon, ein armer Dorfpfarrer zu sein. Bald darauf erkrankt Clarimonde - und der verliebte Romuald macht eine erschreckende Entdeckung: Anscheinend kann nur sein Blut ihr zu neuer Gesundheit verhelfen ...
"Die liebende Tote" aus der Feder von Théophile Gautier ist eine romantische Schauergeschichte, die im 19. Jahrhundert verfasst wurde und entsprechend auch den Geist der damaligen Zeit atmet. Titania Medien hat sich des Stoffes in seiner erfolgreichen Hörspiel-Reihe "Gruselkabinett" angenommen und die Erzählung mit dem hohen Aufwand und den hochkarätigen Sprechern vertont, die man von diesem Label inzwischen schon gewohnt ist. Die Moral und die Story an sich wirken bei dieser Folge eigentlich ziemlich veraltet - ein junger Mönch, bis dahin noch strebsam und tugendhaft, wird von einer hocherotischen Frau, einer bekannten und berüchtigten Kurtisane, verführt und mehr oder weniger ins Unglück gestürzt. Diese Geschichte wäre allzu platt, hätte Gautier nicht noch eine weitere Ebene mit hinein gebracht: Clarimonde ist keine drohende Blutsaugerin, die dem jungen Mönch schaden möchte, sondern sie ist ihm tatsächlich in inniger Liebe zugetan. Ganz anders wird hingegen Romualds Vorgesetzter, der Abbé Serapion, dargestellt - übrigens glänzend gesprochen von Christian Rode; er ist derjenige, der böse und verbittert wirkt und abstoßend handelt, um Romuald wieder auf den rechten Weg zu bringen.
Interessant ist auch, wie der Autor zur damaligen Zeit den Vampir-Mythos von einer ganz anderen Seite beleuchtete, und zwar noch vor Bram Stoker: Die Vampirin in dieser Geschichte ist leidenschaftlich, liebevoll und erotisch.
"Die liebende Tote" ist eigentlich überhaupt nicht gruselig, aber durchweg sehr unterhaltsam, was vor allem an der herrlichen Umsetzung durch Titania Medien liegt. Musik und Toneffekte sind wunderbar passend eingesetzt, wobei vor allem die musikalische Untermalung hervorzuheben ist - klassische Stücke tragen die Erzählung und versetzen den Leser in eine fast schwermütige Stimmung und mitten in die damalige Zeit hinein. Die Sprecher, unter anderem Julien Haggège als junger Romuald und Sabine Arnhold als Clarimonde, machen ihre Sache wie immer ausgezeichnet. Insgesamt eine sehr schöne, romantische und nur ganz leicht gruselige Geschichte, ein Gothic-Schauermärchen, das über die vollen 57 Minuten zu unterhalten weiß.