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 Abarat, Band 1: Abarat

Serie: Abarat, Band 1
Autoren: Clive Barker
Illustratoren: Clive Barker
Übersetzer: Karsten Singelmann
Verlag: Heyne

Cover
Gesamt +++--
Anspruch
Aufmachung
Brutalität
Gefühl
Preis - Leistungs - Verhältnis
Spannung


Candy ist sechzehn Jahre alt und die liebenswerte, aufgeweckte Tochter eines cholerischen Alkoholikers und einer lethargisch erscheinenden Mutter. Sie ist in Chickentown, einer öden Kleinstadt in den USA, aufgewachsen, die für ihre Geflügelzucht bekannt ist, sonst aber rein gar nichts zu bieten hat. Stets sehnt das Mädchen sich deshalb nach etwas mehr Abwechslung, nach einem Abenteuer und oftmals fühlt sie sich vom Makabren angezogen. Diese seltsamen Neigungen und Candys Andersartigkeit mögen ein Grund dafür sein, warum sie von Mitschülern und Lehrern gemobbt wird, die sich nicht vorstellen können, warum jemand Chickentown als tristes Gefängnis empfindet.
Nach einem heftigen Streit mit einer Lehrerin platzt Candy der Kragen. Ohne über die Konsequenzen nachzudenken, verlässt sie die Schule und läuft aus der Stadt. Einer mysteriösen goldenen Wolke folgend, gelangt sie bald auf eine ihr unbekannte Grasebene und entdeckt erstaunt einen verwitterten Leuchtturm. Dies ist so ungewöhnlich, weil Chickentown tausende Meilen von einem Meer entfernt liegt. Und es bleibt nicht das einzige seltsame Ereignis. Kurz darauf taucht ein menschenähnliches Wesen auf, das auf dem Kopf ein Geweih trägt, aus dem sieben weitere Köpfe sprießen - die alle munter plappern! Der Fremde, der sich als John Mischief vorstellt, bittet Candy um Hilfe, denn er wird von einem unheimlichen Attentäter verfolgt. Als Candy ihm bereitwillig zur Seite steht, ahnt sie noch nicht, dass sie dadurch in eine fremde Welt gelangen wird - Abarat.

Abarat ist ein geheimnisvolles, aufregendes Archipel, bestehend aus 24 Inseln. Jede Insel steht für eine ganz bestimmte, sich niemals ändernde Tageszeit: 24 Stunden, 24 adäquate Inseln, außerdem eine rätselhafte 25. Insel, gefangen in einer Zeit außerhalb der Zeit, die viele besucht haben, aber niemand lebend oder bei klarem Verstand wieder verlassen hat. Candy bekommt viele dieser wundersamen Inseln zu sehen, doch bald wird eine dunkle Macht auf sie aufmerksam. Der Fürst der Mitternachtsinsel will das Mädchen unbedingt in seine Gewalt bekommen ...

Clive Barker ist vor allem für seine blutigen, schonungslosen Horrorromane bekannt. Mit Abarat hat er sich an eine Jugendfantasyserie gewagt, die seine Wurzeln nicht ganz verbergen kann, aber dennoch einen sehr speziellen Zauber entfaltet.
Das ist vor allem der liebevollen Aufmachung des Buches zu verdanken, die durch Illustrationen des Autors, kurze Gedichte zu Beginn eines jeden Parts und einen farbigen "Reiseführer" Abarats als Anhang eine wahre Freude für die Sinne des Betrachters darstellt.

Der Plot bietet allerdings wenig Neues und mutet zunächst wie eine Variation des "Zauberers von Oz" an. Barker hat einfach ein altbekanntes Rezept genommen, es aber mit vielen eigenen Ideen gewürzt und ihm so eine persönliche Note verliehen. Die Parallelwelt, in die Candy gerät, strotzt vor Ideen, schon allein bezüglich des Aufbaus, hinzu kommt die außergewöhnliche Flora und Fauna des Archipels. Nur ungern verlässt man diese pittoreske, aber auch gefährliche Welt wieder.
Ein Manko findet sich jedoch schon zu Beginn des Buches: Es gibt einen recht großen Stilumbruch nach dem Prolog, der eine sehr bildhafte, fast opulente Sprache gebraucht. Was in den regulären Kapiteln folgt, ist dagegen sehr simpler Jugendbuchstil - keineswegs schlecht, aber auch nicht herausragend.

Die Protagonistin Candy ist keine typische Heldin, aber sehr sympathisch. Ein aufgewecktes, lebhaftes Mädchen, das viele Fragen stellt und einen Hang zum Grotesken hat. Allerdings auch ein Mädchen aus einer zerrütteten Familie, das ihre eigenen Dämonen bekämpfen muss und sich im Laufe der Geschichte deutlich weiterentwickelt.
Ebenso interessant ist die Namensgestaltung. Mit "Candy Quakenbush" mag der Leser ob des unkonventionellen Namens, zumindest für eine Heldin, seine Probleme haben, die restliche Namensgebung des Werkes ist allerdings sehr bedacht und intelligent, vergleichbar mit Joanne K. Rowlings "Harry Potter". Wer des Englischen mächtig ist, wird sicher seine Freude daran haben, dass ein jeder Name individuell auf die Figur abgestimmt ist.

Trotz der jüngeren Zielgruppe geizt Barker nicht mit Horrorszenarien. Dabei sind die von ihm eingebrachten Schauerelemente meist sehr absurd gehalten und ob dieser Verfremdung nicht allzu furchterregend, sondern eher ein weiterer Beleg für die schiere Kreativität des Autors. Ebenso bringt dieser auch Anspielungen auf sehr aktuelle Themen in sein Werk mit ein, sei es der Kapitalismus oder die beängstigende Macht und Dominanz der Medien.
Die Geschichte krankt allerdings daran, dass ihr nach einer Weile die Luft ausgeht. Candy lernt zwar ständig neue Leute kennen und erkundet verschiedene Orte, aber letztlich läuft es immer auf Flucht vor irgendeinem Feind hinaus, ohne dass die Handlung merklich voran schreitet.

Fazit: Trotz der recht flotten Erzählweise und der einnehmenden Welt, fehlt es dem Buch an konsequent aufrecht erhaltener Spannung und der Leser mag sich nach der letzten Seite fragen, ob Barkers Konzept wirklich aufgeht. Nichtsdestotrotz ist dieses groteske Märchen eine gelunge Hommage an die Träumer in uns, die ihrem langweiligen Leben gern einmal entfliehen wollen und ein kleiner Aufruf gegen die Entzauberung der Welt.

Linda Dannenberg



Taschenbuch | Erschienen: 01. Juli 2006 | ISBN: 9783453532250 | Preis: 9,95 Euro | 477 Seiten | Sprache: Deutsch

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