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Chronisch traumatisierte Menschen werden oft von einem Leiden verfolgt, das durch eine entsetzliche und schmerzliche Vergangenheit entstanden ist und bis in die Gegenwart hinein wirkt. Viele haben große Probleme mit der Alltagsbewältigung und ihren Beziehungen. Dabei wird dieser endlose Kampf meist hinter einer Fassade von Normalität verborgen und die Komplexität der auftretenden Symptome machen eine Diagnose und Behandlung schwierig.
In dem vorliegenden Buch beschreiben die Autoren, was sie im Laufe von fünfundsechzig Praxisjahren in der Diagnose und Behandlung chronisch traumatisierter Menschen herausgefunden haben. Sie fassen ihre Erkenntnisse unter dem Begriff der "strukturellen Dissoziation der Persönlichkeit" zusammen. Der Begriff der Dissoziation wurde von Pierre Janet (1859-1947) formuliert und soll hier neu belebt und geklärt werden, da heute viele verwirrende und oft einander widersprechende Definitionen in Gebrauch sind.
Das Einleitungskapitel vermittelt einen Überblick über das Konzept der Dissoziation und über die phasenorientierte Behandlung sowie über die Grundideen einer an Janet orientierten
Psychologie des Handelns.
In Teil I werden die klinischen Erscheinungsformen der verschiedenen Stufen der strukturellen Dissoziation benannt. Es werden primäre, sekundäre und tertiäre Erscheinungsformen beschrieben und die verschiedenen Bewusstseinszustände unterteilt in ANPs - "Anscheinend Normal funktionierende Persönlichkeitsteile" und EPs - "Emotionale Persönlichkeitsteile".
Teil II beschreibt eine an Janet orientierte
Psychologie des Handelns, die auf die strukturelle Dissoziation bezogen wird, wobei verschiedene dysfunktionale mentale und behaviorale Handlungen untersucht werden, beziehungsweise der Mangel an adaptiven Handlungen bei chronisch Traumatisierten analysiert wird.
Teil III präsentiert eine systematische Anwendung der Theorie. Sie dient dazu, die Funktionsfähigkeit von Patienten besser einzuschätzen und auch der phasenorientierten Behandlung. Es werden Hinweise gegeben, welche Art von integrativen Handlungen Traumatisierte ausführen müssen, um "dem Spuk der Vergangenheit", ein Ende zu machen und in der Gegenwart erfolgreicher und freier leben zu können. Adaptive und somit integrativ wirkende Handlungen sollen optimal entfaltet werden. Die Patienten lernen effektive mentale und behaviorale Handlungsweisen, die es ihnen ermöglichen, ihr Leben adaptiver zu gestalten und ihre strukturelle Dissoziation aufzulösen. Dadurch erhöhen sich die mentale Effizienz und Energie und die Patienten können mit Alltagsanforderungen besser umgehen, unabgeschlossene Angelegenheiten auflösen und in der Erinnerungen erlebte Traumata überwinden.
Das Buch wird ergänzt durch einen Epilog, ausführliche Literaturhinweise und ein Personen- und Sachregister.
Mit "Das verfolgte Selbst" legen der international bekannte, anerkannte und geschätzte Traumaforscher und Therapeut Onno van der Hart sowie die Psychologen und Forscher Ellert R.S. Nijenhuis und Kathy Steele ein Werk vor, das von Kollegen bereits als Klassiker zum Thema der Dissoziation und dissoziativen Störungen bezeichnet wird. Eigentlich fragt man sich, was nach dem Buch von Frank Putnam "DIS" überhaupt noch zu diesem Thema geschrieben werden kann. Aber hier wird ein neuer Ansatz vorgelegt, der das bisher Erschienene in idealer Weise ergänzt und fortführt.
Unterschieden wird hier zwischen ANPs und EPs, anscheinend normal reagierenden Persönlichkeitsanteilen und emotionalen Teilen. Die emotionalen Persönlichkeitsteile überfluten die Patienten mit sogenannten vehementen Emotionen, wie Panik und emotionalem Chaos, und führen zu dysfunktionalen Ersatzhandlungen, die ein reflektierendes Durchdenken und sorgsames Handeln verhindern.
Neu ist auch der Ansatz der "Überwindung von Phobien". Der Phobie hinsichtlich Bindung und Bindungsverlust, traumabezogener mentaler Handlungen, dissoziativer Anteile, traumatischer Erinnerungen und hinsichtlich des normalen Lebens.
Großes Gewicht legen die Autoren auf die Steuerung der mentalen Energie und Effizienz, ohne deren Gleichgewicht eine erfolgreiche Traumaexposition und Integration der Persönlichkeitsanteile nicht möglich ist.
Ausführlich, umfassend und in klarer Sprache, dabei wissenschaftlich fundiert, werden die Grundlagen vermittelt und Zusammenhänge dargestellt. Der Schreibstil ist sehr einfühlsam und respektvoll und auch für Nicht-Professionelle gut zu verstehen. Zahlreiche Betroffene haben den Autoren bereits nach Erscheinen der englischsprachigen Ausgabe rückgemeldet, dass sie sich nach jahrelanger Therapie zum ersten Mal verstanden und gehört fühlten. Die Kapitel beginnen mit einem Zitat zur Einführung in das Thema. Fallbeispiele verdeutlichen das Dargestellte und vorgeschlagene Interventionen sind übersichtlich in Tabellen zusammengefasst. Das Buch wird sicherlich für mehr Verständnis für diese Art der Persönlichkeitsfehlentwicklung und die Reaktionen der Patienten sorgen. Erst wenn etwas erkannt, akzeptiert und verstanden wurde bietet sich die Möglichkeit zur Veränderung. Es bietet eine Fülle von Anregungen und Ansatzpunkten für eine erfolgreiche Behandlung.
Es wendet sich in erster Linie an Kliniker, ist aber auch für Studenten der klinischen Psychologie und Psychiatrie sowie für Wissenschaftler und Betroffene von Interesse.